Seit 25 Jahren betreiben Gastkirche und Canisius-Bruderschaft einen Secondhand-Shop an der Dortmunder Straße 124. Doch es geht um viel mehr als den Verkauf gebrauchter Kleidung.
Als GeistREich vorbeischaut, tummeln sich mehr als nur ein paar Kundinnen und Kunden im Secondhand-Laden und stöbern durch Kleidung, Schuhe, Bücher und Spiele. Zwei ehrenamtliche Mitarbeiterinnen beraten bei Größe oder Stil, holen Alternativen von den Kleiderständern oder halten bei einem Kaffee ein Schwätzchen. Für manche Besucher der erste oder einzige soziale Kontakt des Tages. Für andere das gute Gefühl, doch ein bisschen shoppen zu können, auch wenn der Geldbeutel alles andere als prall gefüllt ist.
Gestartet ist das Projekt 1999. Damals entschloss sich das Gasthaus zur Gründung des Secondhand-Shops, die Canisius-Bruderschaft übernahm die Trägerschaft. Am 17. Februar ging der Laden als Gemeinschaftsprojekt mit der Canisius- und der Johannesgemeinde an den Start. Das Ziel: Menschen mit geringerem oder ohne Einkommen, eine günstige Gelegenheit zu bieten, andere Anziehsachen zu kaufen. Auch wenn diese nicht neu sind: „Kleider machen Leute“, erklärt Bruder Reinhard, der mittlerweile erster Ansprechpartner für den Laden ist. Er meint damit, dass es insbesondere für Menschen in prekären Lebenssituationen wichtig ist, sich dazugehörig fühlen, sei es durch Kleidung oder allein durch das Erlebnis, ein Geschäft besuchen zu können. „Deshalb war es eine bewusste Entscheidung, den Laden nicht in der Innenstadt zu eröffnen, sondern in einem Viertel, dessen Bevölkerung durch Migration geprägt ist und viele Menschen mit wenig Geld zum Leben wohnen.“
Der Nachschub an Altkleidern, den Recklinghäuser Bürgerinnen und Bürger spenden, ist von Beginn an hoch. Gebrauchte Kleidung kann beim Gasthaus in der Innenstadt oder direkt an der Dortmunder Straße abgegeben werden. Einmal in der Woche fährt Bruder Reinhard dann einen Bulli voller Kleidersäcke zur Dortmunder Straße: „Herzlichen Dank an alle Spenderinnen und Spendern.“ Im Lager sortieren die dortigen Kolleginnen und Kollegen die Ware und entsorgen fleckige oder kaputte Stücke.
„Aktuell läuft es wieder sehr gut, es kommen viele Kunden. Das war in den vergangenen Jahren nicht immer so: Die Corona-Pandemie hat auch uns zugesetzt. Gleichzeitig gab es einen Generationenwechsel im Quartier“, sagt Bruder Reinhard. Die Kinder derjenigen, die von Anfang an den Laden besuchten, hätten erst einmal gebraucht, bis sie den Weg dorthin fanden. Damit das Geschäft nicht in Vergessenheit geriet, war es wichtig, immer wieder Werbung zu machen. Bruder Reinhard und der ehrenamtliche Geschäftsführer Norbert Mendla ließen Flyer drucken und verteilten sie in der Nachbarschaft. Sie gestalteten ein mehrsprachiges Begrüßungsschild an der Eingangstür, organisierten Aktionstage, an denen zum Beispiel ein Polizist im Laden eine Sprechstunde abhielt oder Modenschauen aufgeführt wurden. Beim Nachbarschaftsfest am Drissenplatz war der Secondhand-Shop mit einem eigenen Stand präsent.
Das alles half, die Flaute zu überwinden. Der Laden hat – wieder – einen festen Kundenstamm, außerdem kommen regelmäßig neue Gesichter zur Tür herein – darunter Schnäppchenjäger, Allergiker, die mehrfach gewaschene Kleidung besser vertragen, Menschen, denen Nachhaltigkeit am Herzen liegt oder eben jene, die einfach sparen müssen. Bruder Reinhard ist sicher, dass auch die Teilnahme am Nachhaltigkeitsmarkt im Palais Vest zur weiteren Bekanntheit beigetragen hat.
Der Laden trägt sich jedenfalls selbst. Durch den Verkauf kann die Miete und eine Minijobberin bezahlt werden, die sich um die Verwaltung kümmert. Es bleibt sogar meist ein wenig Geld über, das entweder gespendet wird, zum Beispiel an Friedensprojekte wie das Friedensdorf Oberhausen oder sozialen Projekten im Stadtteil, aber auch den insgesamt 25 Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern zugutekommt, die sich um den Laden kümmern. Als Dank für ihren Einsatz lädt Bruder Reinhard sie gelegentlich zu Teamtreffen ein. Immerhin 16 sind Woche für Woche im Einsatz, denn die Ladenöffnungszeiten sind von Dienstag bis Freitag, jeweils vor- und nachmittags. Für jede Schicht werden zwei Personen eingesetzt, niemand soll einen ganzen Tag arbeiten müssen. Aktuell hilft zudem eine geflüchtete Frau aus Syrien im Laden. Sie nutzt die Arbeit vor allem, um Deutsch zu lernen. Auch so ein integrativer Aspekt des Ladens.
Zurecht haben das Gasthaus und seine Canisius-Brüder das 25-jährige Bestehen ihres Projekts gefeiert. Mit dabei der mittlerweile emiritierte Pfarrer Bernhard Lübbering, der ehemalige ehrenamtliche Geschäftsführer Josef Beckmann, zahlreiche Mitbrüder und Ordensschwestern, Wegbegleiter und natürlich die Ehrenamtlichen. Eine engagierte Gemeinschaft, die dafür einsteht, dass der Secondhand-Laden im Viertel nicht nur in Modefragen einen Unterschied macht.
Dr. Christine Walther
DER SECONDHAND-SHOP AN DER DORTMUNDER STR. 124
An der Dortmunder Straße 122 findet der Secondhand-Shop seine erste Heimat. Nach einem Brand im Obergeschoss des Hauses läuft das Löschwasser großflächig ins Ladenlokal im Erdgeschoss, sodass die Räume zunächst nicht mehr genutzt werden können und die Ware ausgeräumt werden muss. Zufälligerweise stehen die Geschäftsräume im Nachbarhaus frei. Was zunächst als provisorisch und übergangsweise angedacht ist, wird schließlich zur zweiten Heimat des Secondhand-Ladens. Ein Glücksfall, denn im Hinterhof gibt es ein angrenzendes Gebäude, einst eine Backstube, das als Lager- und Sortierfläche genutzt werden kann.