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Überwintern im Süden: Gran Canaria als „zweite Heimat“

Heiner und Claudia Kempener aus Recklinghausen über ihre Langzeiturlaube auf Gran Canaria, die friedliche Atmosphäre und den sonnigen Abstand zu Deutschland, der ihnen Lebensqualität bietet

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Heiner Kempener lächelt zufrieden, spricht von einer „zweiten Heimat“. Und seine Frau Claudia ergänzt strahlend: „Das ist für mich eine absolute Energiequelle“. Wenn das Recklinghäuser Ehepaar von Gran Canaria erzählt, ist ihm die Begeisterung anzusehen. Seit zehn Jahren verbringen Heiner und Claudia Kempener jedes Jahr zwei bis drei Monate der hier kühleren Jahreszeit auf der Kanaren-Insel.

Sonne, Meer, milde Temperaturen: Natürlich fliegen die Kempeners auch wegen des Klimas regelmäßig nach Gran Canaria. „Die Natur ist dort wunderschön“, schwärmt Claudia Kempener. „Und die Insel ist sehr vielfältig. Im Norden gibt es Berge mit alpinen Wegen, im Süden viel Strand, dazu auch Geschichtliches wie Museen“, sagt ihr Mann Heiner. „Im Anfang sind wir immer von Oktober, November bis Januar gefahren. Da wollten wir auch über Weihnachten weg sein“, erläutert Claudia Kempener in Erinnerung an eine Zeit nach privaten Umbrüchen. „Inzwischen fahren wir im Februar, März, bleiben dann bis zum Mai. Da sprießt die Vegetation noch mehr, die Tage sind etwas länger und der Atlantik ist schon etwas wärmer. Und hier ist es ja immer noch kalt.“

Doch das Wetter ist längst nicht der einzige Grund, weshalb Heiner und Claudia Kempener im Winter das Weite suchen, ihre „zweite Heimat“ ansteuern. Das Gesicht des gerade noch fröhlichen Heiner Kempener wird ernst. „Was ist los in Deutschland?“, fragt er mit Blick auf „ständige grausame Meldungen“, Kriminalität und Unruhen. „Wenn ich hier den Fernseher anmache und Nachrichten höre – puh, es ist vieles nicht mehr in Ordnung. Hier mache ich mir jede Menge Sorgen“, bekräftigt Claudia Kempener.

„Im Gegensatz dazu ist auf Gran Canaria eine sehr friedliche Atmosphäre. Das merkt man auch an den Menschen: Die Kanaren leben einfach, aber sehr zufrieden. Hier gibt es viel mehr Meckern und Stöhnen“, betont der 77-Jährige. „Wenn wir auf Gran Canaria sind, sind die Sorgen weg, da fühle ich mich frei, kann ich mich entspannen, finde ich mein seelisches Gleichgewicht“, sagt seine Frau. „Es geht hier auch um Abstand – Abstand zu Deutschland.“

Abstand zu Deutschland – den finden Claudia und Heiner Kempener jedes Jahr in einem kleinen gemieteten Bungalow in San Agustin an der Südseite der Insel. „Dort ist es ruhig, überschaubar, nicht touristisch“, beschreibt Claudia Kempener das Domizil. „Man kann Positives auf sich einwirken lassen.“ Und was machen die beiden da zwei bis drei Monate lang? „Wir leben“, sagt Heiner Kempener wie aus der Pistole geschossen und nennt Beschäftigungen wie schwimmen, lesen, auf der Wiese liegen, spazieren gehen, Ausflüge machen. „Eine kurze Hose, ein T-Shirt, Schwimmbrille und Schlappen – das ist alles, was ich da brauche.“

In ihrer „zweiten Heimat“ vermissen die Kempeners „gar nichts“, wie sie unisono bestätigen – von ihrer geschmackvoll eingerichteten Wohnung in Recklinghausen, von ihrem Umfeld hier, ihrer „ersten Heimat“. „Es ist wirklich alles schön bei uns“, sagt Claudia Kempener über die Zeit in San Agustin. Und dann muss sie selbst lachen, dass sie ihren Aufenthalt auf Gran Canaria mit „bei uns“ beschreibt.

Auch das heimatliche Weihnachtsfest haben die beiden in ihrem Urlaubsort über Jahre nicht vermisst. „Wir haben keine Kinder, zu meinen Geschwistern haben wir zwar einen guten Kontakt, aber so oft sehen wir uns auch nicht, wenn wir in Recklinghausen sind. Und Weihnachten trifft man sich dann an einem der Feiertage, die andere Zeit ist man eh für sich“, erläutert Claudia Kempener. So hat das Ehepaar „sein“ Weihnachtsfest auf Gran Canaria entwickelt: Mit Kirche, Weihnachtskonzert, Essen mit Freunden und „ohne viel Bohei“, wie Claudia Kempener betont. „Das ist in Ordnung.“

Zweifellos: Die Beiden genießen ihre „zweite Heimat“ auf Gran Canaria, wie Heiner Kempener an einem Beispiel verdeutlicht. „Einmal habe ich nach zwei Monaten in San Agustin zu Claudia gesagt: ,Du, nächste Woche ist hier Schluss.' Da hieß es dann bei uns: Was, schon? Das kann doch nicht wahr sein.“ Und Claudia Kempener fügt hinzu: „Ich hatte schon öfter Tränen in den Augen, weil ich nicht nach Hause wollte.“

Auch Krankheits- und Todesfälle im Freundes- und Familienkreis haben dazu beigetragen, dass Claudia und Heiner Kempener ihre Langzeit-Urlaube im Süden noch so lange wie möglich machen wollen. „Wer weiß, wie lange es noch geht? Und wenn wir zu alt dafür sind, können wir wenigstens sagen: Wir haben es getan“, so Claudia Kempener und weist darauf hin, dass sie 62, ihr Mann schon 77 Jahre alt ist.

Das Alter ist auch ein Grund für das Paar, die „zweite Heimat“ nicht zur ersten zu machen, sprich: Ganz auf die spanische Insel zu ziehen. „Dafür ist es zu spät, dafür können wir zu wenig spanisch auch, um mit Behörden, Krankenkassen, Banken klarzukommen. Und im Sommer hält man es da auch nicht aus, es ist einfach zu heiß“, meint Claudia Kempener.

„Außerdem brauche ich auch etwas Herbst, etwas Kälte in Deutschland.“ Für sie steht fest: „Wenn wir immer, immer das Meer, die Sonne und das traumhafte Wetter hätten – worauf sollten wir uns dann noch freuen? Nein, wir belassen es so, wie es jetzt ist.“ Bei der „zweiten Heimat“.
Dr. Thomas Schönert