Die Zahlen sprechen für sich: 15 Jahre Fußballprofi beim VFL Bochum und dem MSV Duisburg, allein 420 Spiele in der ersten Liga. Dazu noch mehr als 60 Zweitliga-Spiele und knapp 60 Pokalspiele, davon ein Pokalfinale als Mannschaftskapitän. Als Fazit kann man festhalten: Mit einem Fußballkenner wie dem Recklinghäuser Lothar Woelk lohnt sich ein Gespräch über das diesjährige Saisonfinale in der Bundesliga.
Doch gleich zu Beginn gibt er selbstkritisch zu bedenken, dass er längst nicht mehr jedes Spiel verfolgt. "Mit reichlich Enkelkindern ausgestattet, verschieben sich manche Prioritäten." Er schaue sich gerne Spiele an, die guten, ehrlichen Fußball versprechen. Im letzten Jahr habe er das Phasenweise auch beim VFL gesehen: „Da war Leidenschaft drin, auch das Quäntchen Glück, wenn mal aus einer halben Situation was macht, oder auch mal Freistöße und Elfmeter zugesprochen bekommt." Im Moment erlebe der VFL aber eher das Gegenteil: „Sie machen viele unnötige Abwehrfehler, wo dann nur noch die Notbremse hilft. Dadurch bekommen sie dann berechtigte Elfmeter gegen sich. Das nutzen die Gegner dann natürlich aus." Ob die Bochumer nach der hohen Heimpleite gegen Wolfsburg gegen den BVB wieder punkten können, sei schwer zu beurteilen. „Ich wünsche es mir natürlich, aber allein mir fehlt der Glaube." Auch wenn er die aktuellen Spieler kaum noch persönlich kenne, so habe er doch den Eindruck, dass auf manchen Positionen auch die Qualität fehlt. Das liege nicht allein an den mangelnden Finanzen. Mit den große Playern wie Dortmund, Bayern und den „Werksvereinen", hinter denen viel Geld stehe, müsse man auch nicht mithalten. Da seien eher Union Berlin und Freiburg Vereine, an deren Vorgehen man sich orientieren könnte. Es sei schade, dass Leitsch und Bella-Kotchap, zwei ambitionierte Spieler aus der U 19, nicht gebunden werden konnten. Mit denen habe man etwas aufbauen können. Wenn man nicht auf dem Trainingsplatz stehe, sei es schwierig, über den Trainer oder Alternativen bei den Spielern zu reden. Aber vielleicht liege Bochums aktuelles Problem darin, nicht genug auf den speziellen Gegner eingestellt gewesen zu sein.
,,Die Dortmunder haben sich gesteigert. An Emre Can sieht man es deutlich. Auch die jungen Spieler haben inzwischen begriffen, dass man den Ball nicht über die Linie tragen muss, sondern das Tore entscheidend sind. Auch die Abwehr steht stabiler. Dann stellt sich auch der Erfolg ein." Denn wenn man erst einmal mit ein, zwei Toren zurückliege, habe man eine völlig andere Spielsituation zu gestalten.
„Das Problem von Schalke lag am Anfang der Saison. Die haben Spieler geholt, die den Verein und seine besondere Tradition nicht kannten. Bei den leidenschaftlichen Fans braucht es auch eine leidenschaftliche Mannschaft." Zudem habe man sich im Sturm mit Leuten wie Bülter und Polter verstärkt, die nahezu das gleiche Charisma wie Terodde aufwiesen. Da hätte man sich vielleicht mit etwas mehr Geld einen Erstliga-Stürmer zulegen sollen. Die spätere Entscheidung für Thomas Reis halte er für richtig. Er habe eine tolle Serie möglich gemacht. Dass die irgendwann mal zu Ende, sei zu erwarten gewesen. Den hohen Sieg gegen Hertha sehe er noch nicht als Wende, dafür sei Hertha selbst zu schwach und werde da unten wohl nicht rauskommen.
Zum Schluss scheut Lothar Woelk sich nicht, einen Tipp für die drei Ruhrpott-Bundesligisten abzugeben. "Ich bin normalerweise offen und ehrlich. Ich kann ja immer nur nach Gefühl gehen: Schalke hat eine Riesenrestprogramm, bei dem es schwer ist durchzukommen. Ich würde mir ehrlich wünschen, dass die es auf den Relegationsplatz schaffen. Wenn die Bochumer wieder ein kleines Erfolgserlebnis hinbekommen, könnte es denen gelingen, da unten rauszukommen. Bei den Schwarz-Gelben funktionieren im Moment die Automatismen und die haben Charaktere wie Bellingham, Malen und Brand, die haben einen Schub gemacht und die können Alarm machen. Sie haben den besten Torwart der ganzen Liga." Und dann sagt Lothar Woelk ganz trocken-schmunzelnd den Satz, den fast ganz Deutschland hören will: "Ich glaube, ich würde darauf wetten, das Dortmund Deutscher Meister wird." Und das als jemand, der immer in Blau-Weiß gelaufen ist! Joachim van Eickels