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St. Franziskus: Es war einmal

Geschichten, Bilder und ich

Es war einmal ... so beginnen oft Erzählungen, die uns in die Vergangenheit entführen und dazu einladen, Geschichten ,,von früher" für die Gegenwart zu aktualisieren. Manchmal sind das aufgeschriebene Geschichten. Manchmal sind es Bildergeschichten, die sich den Betrachtern erst beim genauen Hinschauen erschließen. Unsere Kirchen sind voll von diesen Bildergeschichten, die den Kirchenbesuchern in ganz verschiedenen künstlerischen Ausfertigungen begegnen. In St. Franziskus sind es die Kirchenmöbel, die einiges zu erzählen haben. Gerd Schenk, Eugen Padzior und Alfred Stemmler haben die geschnitzten Werke genauer unter die Lupe genommen und interessante Entdeckungen gemacht.

Da ist zum Beispiel der Unterbau des Franziskusaltars im rechten Seitenschiff. Er besteht aus dem Kanzelkorb der ursprünglich am ersten linken Pfeiler zum Hauptschiff angebrachten Kanzel. (s. Bild 1) Von der Kanzel wurde in früheren Zeiten der versammelten Gemeinde bei der Predigt die biblischen Texte ausgelegt. Die holzbildhauerische Darstellung zeigt den Hl. Franziskus, der seine Mitbrüder belehrt.

Dass diese Schnitzarbeit ausgerechnet die Kanzel zierte, ist vielleicht ein Hinweis darauf, dass die Verantwortlichen für die Ausgestaltung der Kirche im Leben des Hl. Franziskus eine ganz bedeutsame und bedenkenswerte Auslegung des Evangeliums gesehen haben. Die beiden Inschriften aus den Psalmen und dem Römerbrief geben darüber hinaus Auskunft über das franziskanische Ideal für Predigt und Wortverkündigung:

1. QUAM DULCIA FAUCIBUS MEIS ELOQUIA TUA SUPER MEL ORI MEO LUCERNA PEDIBUS MEIS VERBUM TUUM ET LUMEN SEMITIS MEIS
Wie köstlich ist für meinen Gaumen deine Verheißung, süßer als Honig für meinen Mund. Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade

2. QUAM SPECIOSI PEDES - EVANGELIZAN - TIUM PACEM - EVANGELIZANTIUM BONA
(Wie lieblich sind die Füße derer, die den Frieden verkündigen, die das Gute verkündigen!"

Alle Personen in der Darstellung tragen den bis heute bekannten Habit der Franziskaner, aber alle dargestellten Personen sind individuell portraitiert und in Beziehung zueinander dargestellt. So hört der Ordensbruder mit dem Buch, der hinter Franziskus steht, auf den nachfolgenden, der mit einer betonten Geste seiner rechten Hand seinem Vordermann etwas zuflüstert.

Es ist heute nicht zu sagen, welche Alltagserfahrungen den Künstler zu dieser Darstellung motiviert haben. Der heutige Betrachter darf sich deshalb fragen, mit welchem Zuhörer im Bild er sich verwandt fühlt, welche Haltung seiner eigenen nahe kommt und inwieweit er sich vom Gehörten in seiner eigenen Lebensführung leiten lässt.

Cilli Leenders-van Eickels