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Erinnerungen an den Kirmesalltag: Schön - und anstrengend. Ohne die Familie geht es nicht beim Kirmesstand

Der Besuch der Palmkirmes auf dem Saatbruchgelände ist für viele Recklinghäuser Jahr für Jahr eine schöne Selbstverständlichkeit. Nicht nur für Kinder. Beim Bummeln über den Platz trifft man sich. Oft ist es ein zufälliges Wiedersehen mit alten Bekannten, mit Nachbarn, mit einigen aus der Schulzeit. Eine Verabredung mit Freunden für einen abwechslungsreichen Abend mit Bier, Los-Bude und Karussellfahrten kann es auch sein. Wie erlebt man eine Kirmes von "innen", wenn man zu einer Schaustellerfamilie gehört. Susanne Krella erinnert sich:

Palmkirmes im Jahr 1969

Mit zwölf Jahren in den Schulferien Reibekuchen auf der Kirmes verkaufen: Das hat Susanne Krella nie als Kinderarbeit gesehen. Im Gegenteil: Es war ihr ein großes Vergnügen, in der Bude zu stehen, der Mama zu helfen und später - als Erwachsene im eigenen Beruf - am Wochenende auf der Cranger Kirmes auszuhelfen. Allerdings nur dann, wenn Oma und Opa mit ihrer Imbissbude in der Nähe waren und nicht in Lüdenscheid oder Vechta.

Ohne Familie, die immer wieder einspringt und anpackt, "läuft" kein Fahrgeschäft, ist sie überzeugt. Familienbetrieb eben. Alle sind miteingespannt beim Aufbau und Abbau der Stände, im Einkauf und Verkauf von Currywurst mit Pommes und Mayo. Auch für Wechselgeld zu sorgen und die Abrechnung zu machen, gehört dazu. Und viele andere notwendige Kleinigkeiten.

Der harte Kirmes-Job verbraucht die eigenen Kräfte bis an die Grenzen zur Erschöpfung. "Morgens die Ersten sein: Kartoffeln für die Kartoffelpuffer schälen, Schaschlik-Spieße vorbereiten, Holzkohlengrill anschmeißen, Kochplatten auf Temperatur bringen. Die Kunden sehen natürlich nicht, was alles schon geschehen ist, bis mittags die leckeren Sachen über die Theke gehen", sagt Susanne Krella.

Zwischen morgens und abends, tagsüber stundenlang stehen und wach hinhören, was gewünscht wird. Die Stammkundschaft mit einem netten Wort zu begrüßen, und vor allem schnell sein, damit die Kunden nicht lange auf die leckeren Sachen warten müssen. Dazu kommt im Sommer die Hitze, 30 Grad draußen, noch mehr am Grill und an den Öfen. Dann muss man mindestens zwei Liter Wasser trinken, um es überhaupt auszuhalten." Und abends, besser nachts, die Letzten sein: Wenn die laute Musik nicht mehr in den Ohren dröhnt, wenn alle gegangen sind, beginnt das Saubermachen, Aufräumen.

Und danach endlich um ein Uhr total todmüde ins Bett fallen, am Wochenende sogar noch eine Stunde später. Ganz geschafft, weil man viel geschafft hat. „Wenn es nicht meine Familie gewesen wäre - Oma hatte in eine Schaustellerfamilie eingeheiratet - hätte ich es nicht gemacht."

Nicht nur das Zusammensein mit ihrer Familie hat Susanne Krella trotz der großen Anstrengung genossen. Ein Highlight war für sie immer das große Feuerwerk zum Ende der Kirmes. Beeindruckt ist sie noch heute, wie gut die meisten Schausteller zusammenhalten, sich wechselseitig helfen und sich einander volle Kassen gönnen. Sie, die nur zeitlich begrenzt als "Aushilfe" mitgearbeitet hat, bewundert noch heute die Schaustellerfamilien, wie sie die kräftezehrende Kirmessaison aushalten. Sie beginnt im März und endet am 23. Dezember, wenn die Weihnachtsmärkte schließen.

Für Susanne Krella waren die Jahre auf dem Kirmesplatz im Rückblick ein Eintauchen in eine andere Welt. "Ich bin so froh, dass ich es mitmachen konnte. Für mich war es ein großes Stück Lebenserfahrung: Schön - und anstrengend."

Aloys Wiggeringloh

Wieso eigentlich PALM-Kirmes?

Für Palmenwälder sind weder Recklinghausen noch die Haard bekannt, jedenfalls bis heute nicht. Erst recht nicht als im 14. Jahrhundert der größte Jahrmarkt entsteht. Die Namen der anderen (Michaels-, Fronleichnams- oder Peter-und Paul-Kirmes) helfen bei der Rätsels Lösung: Namensgeber ist ein bedeutender kirchlicher Feiertag, der "Palmsonntag" zu Beginn der Karwoche vor Ostern. Er erinnert an den Einzug Jesu in Jerusalem: Menschen jubelten ihm zu und streuten dort tatsächlich Palmzweige auf die Wege. Mit der Segnung von (Buchsbaum-) Zweigen und mit Prozessionen wird bis heute dieser Sonntag begangen. Die Palmkirmes fand auf den Altstadtwällen statt, ehe sie 1956 wegen des zunehmenden Straßenverkehrs zum Saatbruch verlegt wurde.