Folgende Worte von Außenministerin Annalena Baerbock haben sich eingeprägt. Am 24. Februar 2022 sagte sie: ,,Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht." Ein Jahr täglich neue Nachrichten vom Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, mit ungezählten Opfern: Soldaten, Zivilisten in den umkämpften Gebieten. Opfer sind auch die Geflüchteten. Bis zum 23. Februar 2023 wurden allein in Deutschland 1.066.951 Geflüchtete aus der Ukraine im Ausländerzentralregister registriert. Vor allem Frauen und Kinder.
Der Schmerz sitzt so tief, dass sie keine Worte haben, um ihr Leiden auszudrücken, die Mutter und die Kinder nicht. Ihre Namen wollen sie nicht in geistREich lesen und auch keine privaten Details. Seit fast einem Jahr wohnen sie mitten unter uns. Kontakte sind gewachsen, oft über die Kinder, die zur Schule gehen und hilfsbereite Nachbarn. Danke sagen sie für all das, was Deutschland für sie tut: die Stadt Recklinghausen, die Recklinghäuser Tafel des Sozialdienstes katholischer Frauen e.V., die Unterstützung in den Schulen und Kindergärten. Aber das Herz ist zu Hause.
Ihre Gefühlslage können Menschen ohne Kriegserfahrungen nie ganz nachempfinden. Es gibt Momente, in denen sie ihre in allem weiterhin ungewisse Zukunft kaum aushalten können. Denn niemand weiß, wie es nach einem Jahr Krieg weitergehen kann, hier und zu Hause in ihren Familien nicht. Ob nächstes Jahr noch ähnlich sein wird? Unsere „Gäste“ erzählen, dass sie alle Informationen über den Krieg aus den offiziellen Medien erhalten. Die sozialen Medien ermöglichen, mit den Familienangehörigen in der Ukraine gut vernetzt zu sein. In Kontakt zu bleiben, mit allem guten und schweren Nachrichten, ist für sie lebensnotwendig. Für ein Ende des Krieges sehen sie im Moment keine Anzeichen, wenn es überhaupt welche gibt. Von ihrer Hoffnung sprechen sie nicht. Die tragen sie wortlos in sich. Und auf die Frage, ob Familienmitglieder an der Front kämpfen, oder wie die Ehemänner, die Brüder, die Väter, die nicht flüchten dürfen, ihren Alltag gestalten können, dazu sagen sie nichts. Verständlich.
Ein Recklinghäuser, der mit seiner Familie als hilfsbereiter Kümmerer namentlich ungenannt bleiben möchte, hat seit Jahren berufliche Kontakte in die Ukraine. Als er die ersten Bilder vom Angriffskrieg in der Ukraine sieht, steht für ihn fest: „Da müssen wir helfen." Er bietet den Mitarbeitenden des Geschäftskunden in Kiew Unterkunftsmöglichkeiten in Recklinghausen an. Nach wenigen Tagen machen sich die beiden Mütter mit den Kindern auf den langen Weg - über Polen, Berlin ins Ruhrgebiet. Ihren kleinen Hund bringen sie auch mit, besonders wichtig für die Kinder, dass er nicht zurückbleiben muss. Und die notwendigen Wege zu den städtischen Behörden begleitet er selbstverständlich - bis heute. Bei einem Zoobesuch mit seiner Familie sind die Geflüchteten mit dabei. Eine willkommene Abwechslung in ihrer Situation.
Aloys Wiggeringloh