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Es klingt so gut...

Ein kleiner Ausflug in die Welt der Glocken

Kirchenglocken machen die Uhrzeit hörbar. Manchen erspart das den Blick auf die Uhr. Andere fühlen sich durch den Glockenschlag und das Läuten gestört. Sie wecken auf, manchmal aus tiefen Albträumen. Festliches Glockengeläut kann Menschen tief berühren. Das Totengeläut lässt sie nicht selten verstummen. Kirchenglocken rufen zu Gottesdienst und zu Gebet. Sie laden ein, aufzuhorchen, den Alltag zu unterbrechen. Spannend, wo uns über den kirchlichen Bereich hinaus Glocken begegnen.

Glocken sind Signal- oder Musikinstrumente, die seit Jahrtausenden in allen Kulturen und Religionen ihre Bedeutung haben. Und obwohl bei uns für gewöhnlich Glocken im Zusammenhang mit Kirchen genannt werden, spielten und spielen sie auch im säkularen Bereich eine vielfältige Rolle.

Es gab Brandglocken, Pausenglocken, Gerichtsglocken, Schiffsglocken, Nebelglocken und bei Gefahr Sturmglocken. An Bahnübergängen wurde das Herablassen der Schranken mit Glockenläuten begleitet. Im Turm der Lambertikirche in Münster gibt es noch die „Ratsglocke", die bei der Vereidigung des Bürgermeisters geläutet wird. Im Turm des Schöneberger Rathauses in Berlin hängt seit 1950 als Spende aus den USA eine „Friedensglocke", die etwa bei der Feier zur Wiedervereinigung Deutschlands geläutet worden ist.

Spätestens seit dem Mittelalter dienten Glocken in Türmen dazu, den Tagesablauf vor allem in den Klöstern zu strukturieren. Ebenso wurden sie in den Städten und auf dem Lande zum Aufstehen, zu den Arbeitszeiten, den Essenzeiten, zu den Gottesdiensten und Gebetszeiten geläutet, aber auch als Abendläuten zum Ende des Tages. Die Totenglocke verkündete, dass jemand aus der Gemeinschaft oder Gemeinde verstorben war.

Heute werden die meisten Glocken von Motoren in Schwingung versetzt, sodass es möglich ist, eine Großzahl von Glocken gleichzeitig zu läuten. Früher und in manchen Kirchen bis heute, wurden die Glocken per Hand geläutet, wozu es viel Muskelkraft braucht. Viele Anekdoten erzählen von Messdienern oder „Glöcknern", die sich am Seil von der Glocke haben hochziehen lassen.

Das in der Tradition und heute übliche Glockenmaterial ist die Bronze, eine Mischung aus Kupfer und Zinn. Preiswerter, aber vom Klang nicht so schön, sind Gussstahlglocken, bei deren Herstellung sich vor allem ein Gussstahlwerk in Bochum einen Namen gemacht hat. Häufig dienten die Gussstahlglocken als Ersatz für Bronzeglocken, die in Kriegszeiten für die Herstellung von Munition wieder eingeschmolzen wurden.

Glocken werden so hergestellt, dass das flüssige Material in eine Form gegossen wird. Die Größe der Glocke bestimmt auch den Ton, den sie von sich gibt. So hängt im Turm der Marienkirche in Süd die größte Glocke mit zwei Metern Durchmessern. Die im Ton tiefste Glocke allerdings hängt im Turm der Propsteikirche St. Peter. Die kleinste Glocke soll im Türmchen der Gastkirche hängen und schon über 600 Jahre alt sein.

Mehrere Glocken - also ein Geläut - haben auch eine vor ihrem Guss festgelegte Tonfolge, damit aus den einzelnen Tönen ein Klang entsteht. Manchmal ist es ein Dreiklang oder gar eine Melodie, die den Noten eines Liedes folgt. So ergeben die vier Glocken der Marienkirche: A - CIS - E -FIS den Anfang des marianischen Hymnus Salve Regina" (Text im Gotteslob Nr. 666,4). Sie wurden 1922 in Bochum gegossen und dienten als Ersatz für die Glocken, die 1917 während des Ersten Weltkrieges vom Staat beschlagnahmt worden waren. Andere Tonfolgen ergeben etwa den Anfang des Hymnus „Te deum", der sich im Lied „Großer Gott, wir loben dich" wiederfindet. Die oben genannte Tonfolge für „Salve regina" ist die gleiche Tonfolge wie die des bekannten Adventsliedes „Wachet auf!", was ja dem Sinn des Glockenläutens auch sehr nahekommt.

Glocken rufen zum Gottesdienst - je nach Anlass mehr oder weniger festlich, wofür es in vielen Kirchen auch eine „Läuteordnung" gibt. Die tiefste Glocke dient oft als Totenglocke, die kleinste als „Marienglöckchen" beim Angelusläuten.

Das Läuten von Glocken zum Gottesdienst ist geschützt durch das Grundrecht der freien Religionsausübung. Übrigens: Einen (Familien-) Ausflug ins Glockenmuseum Gescher sollten Sie für sich und ihre Kinder im Sommer ins Auge fassen: Lindenstraße 4, 48712 Gescher Telefon: 02542 7144 bzw. www.museum-gescher.de

Hans-Gerald Eschenlohr