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„Wer an Europa zweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen“

Der Satz von Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission (2014-19), ist keineswegs provokativ oder beängstigend gemeint.

Beitrag der Marienschule Münster zum Schülerwettbewerb EuroVisions © Ministerium für Europaangelegenheiten NRW

Der geborene Luxemburger Jean-Claude Juncker, lange Ministerpräsident dieses Gründungsmitglieds der EWG 1957, hatte nicht nur den Zweiten Weltkrieg im Kopf, der auch das bis heute kleinste Land der heutigen Europäischen Union traf. Er dachte an die jahrhundertelange „Normalität“ von Kriegen auf unserem Kontinent. Wie sehr wir uns inzwischen an den Frieden „gewöhnt“ haben, machten sowohl die Sprachlosigkeit nach der Besetzung der Krim wie der „unerwartete Schock“ angesichts des Krieges gegen die Ukraine deutlich. Umso wichtiger ist die Erkenntnis, uns für Frieden und Freiheit immer wieder einsetzen zu müssen! 

Erinnern sollten wir uns an frühere „Normalitäten“, wie die „Erbfeindschaft“ mit Frankreich: Die Schlossruine in Heidelberg ist ein Relikt der Angriffskriege des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. seit 1670. Das von ihm damals eroberte Elsaß-Lothringen z.B. wechselte bis 1945 in blutigen Kriegen mehrfach den „Besitzer“. Die Kriege unter Napoleon, der deutsch-französische Krieg 1870/71, in dem das Deutsche Kaiserreich ausgerechnet in der glanzvoller Königsresidenz Versailles proklamiert wurde, und schließlich die beiden verheerenden Weltkriege kosteten Millionen Menschen das Leben. 

Unser östlicher Nachbar, das Großreich Polen-Litauen, wurde von den Großmächten, Russland, Preußen, Österreich-Ungarn in drei Gewaltaktionen zerteilt und besetzt, so dass es 1795 völlig von den Landkarten verschwand. Das erst 1918 wieder entstandene Polen existierte nur 21 Jahre. Dann wurde es von den Diktatoren und „Bündnispartnern“ Hitler und Stalin im September 1939 überfallen, besetzt, erneut geteilt und gewaltsam unterdrückt. 

Erst unter dem Eindruck der Brutalität der Weltkriege konnten sich engagierte Menschen mit dem "europäischen" Gedanken gegen den zerstörerischen Nationalismus durchsetzen. Es waren Politiker wie der Franzose Robert Schumann, der Italiener Alcide de Gasperi oder Konrad Adenauer, die aus christlicher Überzeugung begannen, ein geeintes Europa zu schaffen. Vor 75 Jahren, am 23. Mai 1949 trat unser Grundgesetz in Kraft. Darin bekennt sich Deutschland ausdrücklich dazu, „als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“. Kanzler Adenauer und Präsident Charles de Gaulle setzten 1962 bewusst ein Zeichen der Versöhnung in der Kathedrale von Reims, dem Krönungsort der französischen Könige. Und sie erhielten für ihre Europavision die Unterstützung und Legitimation durch die Wählerschaft. So wie sich auch die Bürgerschaft der Länder Mittel- und Osteuropas nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union entschied. „Grenzüberschreitend“ ist heute in der EU nicht mehr der Einmarsch von Panzern in Nachbarstaaten. Es meint ein gemeinsames demokratisches und friedvolles Europa mit einem grenzenlosen Reise- und Güterverkehr, gemeinsamen Regelungen in vielen Bereichen, z.B. auch die gemeinsame Währung. 

Aber dieses Europa ist eben keine Selbstverständlichkeit! Dieses Europa braucht engagierte Europäer. Es ist bedroht von Extremisten in vielen Ländern, vom Aggressionswillen eines russischen Diktators und vom Bündnis Putins mit Demokratiegegnern in Europa! 

Zurecht heißt es im aktuellen Song „Demokratie“ der Punkband „Die Ärzte“ zur Europawahl am 9. Juni 2024: „Falls Du Dich jetzt fragst, wie man die Welt verbessern kann: Wie wär`s mit wählen gehen?“ Und weiter: „Wenn Du darauf verzichtest, wirst Du bald vielleicht nicht mehr wählen können.“ Dem kann man sich nur anschließen! ■ Georg Möllers 

www.europa.nrw.de