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Am 9. Juni findet die Europawahl 2024 statt

350 Millionen Menschen sind aufgerufen, mit ihrer Stimme einen Kontinent mitzugestalten: Interview mit Menschen aus Recklinghausen, was sie über Europa denken.

Véronique Fimpeler | 46 Jahre | Lehrerin

Auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs ist Großartiges gewachsen: unser Europa, die Freundschaft zwischen den Ländern, gemeinsame Werte wie die Freiheit, sich in der EU zu bewegen, seine Meinung zu äußern und Europa mitzugestalten.

Europa liegt ein demokratischer Gedanke zugrunde, der das Recht und zugleich die Pflicht zur Wahl beinhaltet. Wer nicht wählt, überlässt die Entscheidung anderen. Bei der Europawahl geht es um das große Ganze, das Auswirkungen auf unseren Alltag hat. Mit Schüler*innen kann ich ohne Visum in Recklinghausens französische Partnerstadt Douai reisen. Auch die gemeinsame Währung ist Luxus. Ein Schüleraustausch ist wichtig für das europäische Verständnis. Unsere Kinder sind die Europäer von morgen.

Ich bin aufgewachsen in Frankreich, seit 30 Jahren lebe ich in Recklinghausen: eine perfekte Stadt mit der Arbeit der Brücke und der VHS, um sich zu integrieren.

Christopher Janus | 46 Jahre | Stellvertretender Schulleiter

Ich werde zur Europawahl gehen, wie zu jeder Wahl, weil ich weiß, dass das Recht zu wählen keine Selbstverständlichkeit ist und unsere Demokratie darauf angewiesen ist, dass wir unseren Interessen und Überzeugungen in Wahlen eine „Stimme“ geben. Angesichts der aktuellen Krisen ist es jetzt noch wichtiger als vorher. Wer glaubt, dass Europa fern ist und ihn kaum betrifft, der irrt. Gerade heute brauchen wir Europa. Wir haben der EU unseren jahrzehntelangen Frieden und einen guten Teil unseres Wohlstandes zu verdanken. Nicht wählen zu gehen, verschafft nur den abgegebenen Stimmen mehr Gewicht und kann zu Ergebnissen führen, die einem gar nicht gefallen.

Wer unzufrieden mit dem aktuellen Angebot der Parteien ist, sollte aktiv werden und sich in die Meinungsbildung der Parteien einbringen. Diese können nur so gut sein, wie die Menschen, die sich in ihnen engagieren.

Amelie Kuster | 18 Jahre | Auszubildende

Ich darf dieses Jahr bei der Europawahl zum ersten mal offiziell wählen gehen. Als ich noch in die Schule gegangen bin, habe ich allerdings schon an drei Juniorwahlen teilgenommen, bei einer sogar als Wahlhelferin. Daher ist der Wahlprozess an sich nicht neu für mich. Allerdings wird mein Kreuz dieses

Ich finde es extrem wichtig zu wählen, weil ich die Möglichkeit habe, die Politik mitzubestimmen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass es in der heutigen Zeit keine Selbstverständlichkeit ist, in einer Demokratie zu leben mit der Gewissheit, dass morgen kein Krieg in meiner Heimat ausbricht. Mit meiner Stimme werde ich diese Demokratie stärken. Deswegen ist es meiner Meinung nach bedeutsam, keine Demokratie gefährdende Partei zu wählen.

Cäcilia Hajok | 94 Jahre | Rentnerin

Mit meinen 94 Jahren habe ich viel erlebt, fast 100 Jahre europäische Geschichte. In Oberschlesien bin ich geboren. Meine Kindheit und Jugendzeit war Kriegszeit, dann Flucht, Vertreibung, ein neues Zuhause in Recklinghausen… Vieles durchgemacht, erlitten und bestanden. Und das alles wieder so gut wurde, es war nicht vorauszusehen: Bildung, Freiheit, Frieden und abgesichert im Alter. Das – und noch viel mehr! – ist durch Europa möglich geworden.

Deshalb dürfen wir es nicht zulassen, dass sich die Katastrophe von Kriegen wiederholt. Ein geeintes Europa bietet Sicherheit. Daher ist es für mich eine Pflicht, für ein starkes Europa an der Wahl teilzunehmen. Ich mache in meinem Alter Briefwahl. Machen Sie es auch! Jede*r Bürger*in sollte sein Wahlrecht in Anspruch nehmen. Unbedingt – für eine gute Zukunft in allen europäischen Ländern!

Peter Altenburger | 62 Jahre | Rechtsanwalt

„Muss der ganze Aufwand sein?“ „Ich spreche doch gar kein Französisch.“ – Seit Jahrzehnten pflegt der Ehemaligenverein des Petrinums eine Freundschaft mit seinem Pendant am Lycée Chatelet in der Partnerstadt Douai. In regelmäßigen Abständen besuchen wir uns gegenseitig, verbringen ein Wochenende miteinander, erzählen uns über Schule, Fußball, Privates und Politik, zeigen uns gegenseitig Sehenswürdigkeiten in der Umgebung. – Nein, es fällt nicht immer leicht, sich dazu aufzuraffen.

Doch dann: Einmal saßen wir mit den französischen Gastgebern bei reichlich Wein auf einem großen Volksfest, als uns Douais Bürgermeister überraschend als „Delegation unserer deutschen Freunde aus Recklinghausen“ begrüßte – und plötzlich herzlicher Applaus aufkam, der wirklich berührte. Im Jahr 2018 standen wir mit den französischen Freunden betroffen über tausenden von Gräbern derjenigen, die während des „Grand Guerre“ 1914 bis 1918 in Nordfrankreich gefallen sind. Und immer wieder treffen wir uns, sprechen allenfalls mäßig französisch oder deutsch, aber wir begegnen uns. Einfach so. So geht Europa.

350 Millionen Menschen sind aufgerufen, mit ihrer Stimme einen Kontinent mitzugestalten

Das Stichwort „Europa“ kommt sehr häufig in den Nachrichten vor. Doch nicht immer ist das ein gutes Zeichen. Oft ist die Rede von schwierigen Verhandlungen und Entscheidungen, von Blockaden und Drohungen und immer neuen Scharmützeln in den verschiedenen Gremien und Institutionen. An Europa und der Europäischen Union (EU) scheiden sich eben gerne die Geister. Die einen schauen mit Freude und Dankbarkeit auf die vielen Errungenschaften, wie die Reisefreiheit, den Binnenmarkt, den Zusammenhalt und die Friedenssicherung. Die anderen heben besonders die Nachteile dieses Zusammenschlusses hervor, die Bürokratie, die Kosten, die Vorschriften. Die Briten haben sich sogar von einigen vermeintlichen Patrioten dazu verführen lassen, aus der Union auszutreten und eine Mehrheit bereut das inzwischen. Also: Es gibt Gründe genug, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen.

geistREich wollte wissen, wie die Menschen in unserer Stadt über Europa denken: Was bedeutet für Sie Europa? Werden Sie sich an der Wahl beteiligen? Von welcher Motivation und welcher Haltung ist Ihre Entscheidung geprägt?