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Kirchensteuerrat: "Wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten!"

Tobias Stockhoff warnt aus Sicht des Kirchensteuerrates davor, gute Projekte abzuschaffen, nur weil das schnellere Sparvorteile verspricht.

Der Dorstener Bürgermeister Tobias Stockhoff engagiert sich ehrenamtlich im Kirchensteuerrat des Bistums Münster.

Die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt und damit auch die Zahl derer, die Kirchensteuer zahlen. Welche Auswirkungen hat das auf die Finanzierung wichtiger kirchlicher Projekte? Wer entscheidet über den Einsatz des Geldes? Wieviel Einfluss hat der Kirchensteuerrat? Im Gespräch mit dem Bürgermeister von Dorsten gibt es Antworten.

Wie beurteilen Sie ganz allgemein die gegenwärtige Finanzierungslage des Bistums Münster?
In den vergangenen Jahren haben uns die Kirchenaustritte menschlich, aber noch nicht finanziell weh getan. Uns tut generell mehr die große Lücke zwischen den Geburten und den Sterbefällen, zwischen Taufen und Beerdigungen weh. Das ist jedoch ein gesamtgesellschaftliches Problem. Im vergangenen Jahr sind in Deutschland eine Million Menschen aus dem Berufsleben ausgeschieden und nur 700.000 sind nachgekommen. Auf dieser Basis scheiden deutlich mehr Kirchensteuerzahlende aus als nachkommen. Dazu beschleunigt die hohe Zahl der Kirchenaustritte diese Tendenz. Die Kirchensteuereinnahmen werden zwar in den nächsten 15 Jahren stabil bleiben, aber die Inflation wird den Wert künftig mindern. Wir können uns perspektivisch weniger leisten. Das führt zu einer Haushaltsschieflage.

Wie werden Sie darauf reagieren?
Schon in diesem Jahr muss der Haushalt zum ersten Mal zusätzlich aus Rücklagen finanziert werden. Das betrifft zum Beispiel das Sanieren der Immobilien. In zehn Jahren werden die Rücklagen allerdings aufgebraucht sein. Daraus folgt, dass wir jetzt Entscheidungen treffen müssen, wie wir sparen wollen, oder wie wir Schwerpunkte anders setzen. Es bleibt nicht aus, dass wir uns von Liebgewonnenem verabschieden müssen, weil wir schlichtweg die Finanzmittel nicht mehr haben.

Doch wie kann man bei begrenzten Mitteln sinnvolle Schwerpunkte setzen?
Beim Sparen besteht immer eine Gefahr: Bei unbefristet Beschäftigten ‒ oder ähnlich auch bei Gebäuden ‒ können wir uns nur viel schwerer trennen. Von manchen anderen Projekten konnte man sich schneller verabschieden. Aber das sehen wir heute anders als vor zehn Jahren. Das kann nicht der Maßstab sein. Denn es gilt aufzupassen: Wir dürfen nicht das Kind mit dem Bade ausschütten: nur deshalb gute, zukunftsorientierte Projekte oder Initiativen abzuschaffen, weil das schnellere Sparpotentiale verspricht. Stattdessen sollten wir uns von langfristigen, kostspieligen Belastungen trennen, wie etwa wenig genutzten Gebäuden, deren Instandhaltung und Energieversorgung enorm viel Finanzen bindet. Es fällt uns heute manchmal auf die Füße, dass wir uns zu spät von Altlasten getrennt haben und stattdessen voreilig innovative Projekte beendet haben.

Wegen des Rückgangs beim Seelsorgepersonal werden immense Summen gespart. Da den Freiwillig Engagierten bzw. sogenannten Ehrenamtlichen immer mehr Leitungsaufgaben und Verantwortungsbereiche übertragen werden, stellt sich die Frage, ob die Pfarreien dafür jeweils höhere Geldzuweisungen erhalten?
Ich werbe dafür, über eine Aufwandsentscheidung nachzudenken. Es sollte eine Ehrenamtspauschale sein, deren Summe nicht steuer- und sozialabgabenpflichtig ist. Sie kann Ausdruck einer Wertschätzung sein. Zudem können sich manche die Kosten, die durch ihr Ehrenamt entstehen, auf Dauer nicht selbst leisten, z.B. für den Autoeinsatz, Computer und anderes. Ich hielte es deshalb ab einem gewissen Grad der Ehrenamtlichkeit für sinnvoll, wie bei Ratsmitgliedern, Mehraufwandsentscheidung zu zahlen. Bei ehrenamtlichen Diakonen geschieht das schon.

Wie sieht es mit der Umsetzung aus?
Soweit sind wir noch nicht. Der Diözesanrat berät im Moment die Ergebnisse, die die Arbeitsgruppen im Strukturprozess erarbeitet haben. Dazu wird nachher ein Votum abgegeben, über dessen Umsetzung der Bischof dann entscheiden wird. Auch da wird es dann im Laufe der Jahre Nachjustierungen geben, denn in wachsenden Systemen entstehen immer neue Problemstellungen. Im Übrigen dürfen Pfarreien auch jetzt schon eine Ehrenamtspauschale auszahlen.

Wie sollen die denn bei jetzt schon knappen Mittel finanziert werden?
Wenn Pfarreien erfolgreiche Sparprozesse einleiten, beispielsweise im IT-Bereich, sollte das Bistum ihnen die Hälfte der Einsparungen für Zwecke dieser Art zur Verfügung stellen. So wären bei kleineren Pfarreien vierstellige, bei größeren Pfarreien fünfstellige Zuschüsse zum bestehenden Haushalt möglich.

Sehen Sie auf Ebene des Bistums Möglichkeiten, Verwaltungskosten zu verschlanken?
Der KSTR hat auch dem Generalvikariat mit Blick auf die Bistumsangestellten gesagt, jede neue Stelle muss durch eine andere gegenfinanziert werden. Wir haben auch gesagt, es gibt so etwas wie Wiederbesetzungssperren, die müssen auch im Bischöflichen Generalvikariat umgesetzt werden. Natürlich muss das zunächst durch die Kollegenschaft kompensiert werden. Doch manchmal stellt sich dann heraus, dass einige Stellen gar nicht mehr gebraucht werden. Insgesamt ist es wichtig, bei derartigen Entscheidungen langfristig zu denken.

Was genau meinen Sie damit?
Es gibt nachhaltige gesellschaftliche Veränderungen, auf die wir reagieren müssen. So haben wir nur noch 70 % Menschen im Arbeitsprozess gegenüber früheren Zeiten. Gleichzeitig steigt die Technisierung der Arbeitswelt, was zukünftig Personal einsparen wird. Diese Entwicklungen werden Auswirkungen haben, die wir im Blick behalten sollten. Es kann allerdings auch im Einzelfall dazu kommen, dass wir für bestimmte Leistungen, die bisher kostenlos zu Verfügung standen, künftig Gebühren berechnen, wie es das bereits bei Kitas oder katholischen Friedhöfen gibt. Wenn man das sozial gerecht und mit ein wenig Verstand ausprägt, wird man Menschen da auch mitnehmen können. Aber in der Tat sind das Umstellungen, die da kommen werden. Joachim van Eickels

Tobias Stockhoff

• geb. 1981 in Dorsten, verheiratet
• Konfession: römisch-katholisch
• Abitur: Petrinum Dorsten
• Studium: Physik in Münster
• Selbstständiger Diplomphysiker
• Seit 1999 Mitglied der CDU
• Seit 2009 Mitglied des Pfarreirates St. Matthäus Wulfen
• Seit 2018 gewähltes Mitglied des Kirchenvorstandes St. Matthäus Wulfen
• Seit 2014 Bürgermeister Stadt Dorsten
• Seit 2011 stellv. Vorsitzender des Kirchensteuerrates des NRW-Teils des Bistums Münster



Welche Aufgaben hat der Kirchensteuerrat?

Der Kirchensteuerrat (KSTR) für den nordrhein-westfälischen Teil des Bistums Münster beschließt die Höhe des Kirchensteuer-Hebesatzes, genehmigt die Jahresrechnung und setzt den Haushaltsplan der Diözese fest. Außerdem entscheidet er über Anträge auf Erlass und Stundung der Kirchensteuer. Inzwischen ist der Kirchensteuerrat in gleicher Weise auch für den Haushalt des Bischöflichen Stuhls zuständig. Der Bischöfliche Stuhl ist eine Körperschaft Öffentlichen Rechts, die über eigenes Vermögen verfügen kann. Hinzu kommen unter anderem folgende Aufgaben:

• Beratung der Bistumsleitung in Haushalts- und Finanzfragen,
• Beschluss über den Stellenplan (der Laienmitarbeiter) für das Bistum Münster und Beteiligung bei geplanten Ausweitungen,
• Zustimmung zu im Verlauf des Haushaltsjahres notwendigen über- u. außerplanmäßigen Mittelbereitstellungen,
• jährliche Beratung über den Prüfungsbericht der Abteilung Wirtschaftlichkeit und Revision über die Buch- und Kassenführung und Haushaltswirtschaft des Bistum Münster (die Rechnungsprüfung des Bistums ist direkt dem Kirchensteuerrat unterstellt).

Die 17 gewählten und berufenen Mitglieder des Gremiums treffen sich fünfmal im Jahr zu Sitzungen.

Der KSTR arbeitet in drei Ausschüssen und ist Mitglied im Verwaltungsrat des Diözesancaritasverbandes und im Diözesanrat des Bistums Münster.