Es war ein hoffungsvoller Neuaufbruch den Gräuel des Zweiten Weltkriegs und dem systematischen Massenmord an Juden, Roma, psychisch Kranken: Das Bekenntnis der Welt zu den Menschenrechten. Wie steht es nach 75 Jahren darum?
Die neu gegründeten „Vereinten Nationen“ schufen sich am 10. Dezember 1948 mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte eine verbindliche Grundlage. Ein epochaler Schritt für die Menschheit, zu dem sich auch alle später der UNO beigetretenen Staaten verpflichteten.
Heute gibt es zur Kontrolle einen UN-Ausschuss. Der wechselnde Vorsitz ging gerade an den Iran. Die Überwachung der Menschenrechte durch einen selbsternannten „Gottesstaat“, der Frauen misshandelt und tötet, die gegen Kleidervorschriften verstoßen und Israel auslöschen will? Allerdings: Schon 1948 gehörte auch Stalin zu den Unterzeichnern. So absurd ist auch im 21. Jahrhundert die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Kein Wunder: Eine Infographik des weltweit engagierten Hilfswerks MISEREOR zählt nur 24 Staaten mit 8% der Weltbevölkerung zu den „vollständigen“, weitere 48 Staaten (37,2%) zu unvollständigen“ Demokratien. Demgegenüber stehen 95 undemokratische Staaten, darunter sogar 59 (37% der Weltbevölkerung) autoritäre oder totalitäre Unrechts-Regime.
Zur Lebenserfahrung vieler Menschen gehören eben nicht Rechte, sondern Unterdrückung: Presse und Fernsehen werden gleichgeschaltet, Frauen diskriminiert und zwangsverheiratet, Menschen wegen ihrer Rasse, Religion oder Ethnie verfolgt oder getötet, Arbeiter und Arbeiterinnen ausgebeutet oder versklavt, Nachbarländer brutal überfallen, Menschen werden zu Unrecht verurteilt und gefoltert. Allein beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte waren im vorigen Jahr fast 73.000 Verfahren anhängig, darunter jeweils über 17.000 gegen Russland und die Türkei.
Umso wichtiger, dass Menschen, die in Freiheit leben, diese Freiheit nutzen und sich weltweit für die Menschenrechte einzusetzen: Ein Schwerpunkt von Amnesty International (ai) liegt beim Einsatz für Gefangene in aller Welt und dem Engagement gegen die Todesstrafe. Das katholische Hilfswerk Adveniat bittet Weihnachten um Spenden für seine Projekte in Südamerika: zum Beispiel Rechtsschutz für Verfolgte, Hilfe für Genossenschaftsbauern und Flüchtlinge, die Durchsetzung des Rechts auf Bildung und Gesundheit.
Wappnen müssen wir uns aber auch gegen die immer aggressiveren Leugner dieser „westlichen Tradition Ideen“: In der jüdisch-christlichen schuf der Schöpfer den Menschen als sein „Abbild“. Weihnachten feiern wir die Ankunft des Worts Gottes in der Gestalt eines Menschen. Und die Botschaft Christi lautet: „Was ihr dem Geringsten antut, das habt Ihr mir getan.“ Europäische Aufklärer wie Immanuel Kant versuchen es mit Vernunftargumenten: Jeder solle so handeln, dass dies als Handlungsgrundsatz für alle Menschen gelten könne. Nicht nur Verstöße gegen die Menschenrechte gilt es zu benennen: Es geht heute um den Einsatz für die Idee der universal gültigen Menschenwürde müssen angesichts von nationalistischen, rassistischen, fundamentalistisch-religiösen und kommunistischen Gegenbildern. Dabei kann und muss die Erklärung vor 75 Jahren eine Basis sein.
Georg Möllers