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Die katholische Kirche in Recklinghausen ist in einem Prozess des Wandels

Katharina Müller und Sonja Kuhmann geben persönliche Eindrücke über die aktuelle Entwicklung in der Stadt. Respektvoll, motiviert und optimistisch blicken sie in die Zukunft.

Katharina Müller und Sonja Kuhlmann vor der St. Peter Kirche.

Wenn man die Schlagzeilen in Bezug auf Kirche liest und die Statements des Bistums hört, scheint es, als gäbe es fast nur negatives zu berichten - Personalmangel und fehlende finanzielle Ressourcen werden häufig erwähnt. Wie nehmt ihr die aktuelle Entwicklung in der Stadt wahr?

Kuhlmann: Also ein allgemeiner Eindruck von auBen ist - ich schaue tatsächlich auf viele Themen eher von außen, weil ich in meiner Funktion bisher nur Einblick in die Jugendarbeit bekommen habe und selbst nicht in Recklinghausen wohne - hier ist ganz schön viel los! Nicht nur bezogen auf die katholischen Aktivitäten, sondern insgesamt in Recklinghausen. Es gibt viele Projekte, viel freiwilliges Engagement und sehr viele Termine. Wie das für Familien ist, kenne ich aus eigener Erfahrung - es ist gar nicht so leicht, all die Dinge unter einen Hut zu bekommen. Diesen Eindruck habe ich auch im Kontakt mit freiwillig Engagierten, auch weil an einigen Kirchorten wenige versuchen, alle Traditionen und Aktivitäten aufrecht zu erhalten. Und vor allem sehe ich den Druck meiner Kolleg*innen im pastoralen Dienst in der Gemeinde. Es ist oft ein Ringen um Aufgaben und Termine, nicht weil die Motivation fehlt, sondern Zeit oder Ressourcen. Dieses viel zitierte „Prioritäten setzen“ gelingt aktuell noch selten gut, es ist mit inneren und äußeren Kämpfen verbunden und lässt das Klima rauer werden. Und dabei wollen doch alle, dass es gut wird. Nur der Weg dahin, der wird sehr unterschiedlich gezeichnet.

Müller: Ich weiß gar nicht, wie viele negative Schlagzeilen in Recklinghausen ankommen zur aktuellen kirchlichen Situation. Ich habe den Eindruck, dass die Radikalität des Abbruchs kirchlicher Bindung, vielen Menschen nicht so bewusst ist. Es wird erdrutschartig weniger und da reden wir nicht von ein paar Menschen, die die Kirche verlassen, sondern von rapide weniger werdenden Menschen, die sich der Kirche zugehörig fühlen. Dieser Prozess ist natürlich mit Trauer und Abschied verbunden, weil die Kirche, die wir kennen, dann nicht mehr existiert. Ich selbst bin aber zuversichtlich und optimistisch, dass die Kirche nicht daran sterben wird, sondern sie wird bleiben.


Woher kommt eure Motivation, die Entwicklungen in der Stadt mitzugestalten?

Müller: Ich bin motiviert, weil ich die Situation nicht nur schwarzsehe. Ich habe Respekt vor den Veränderungen, weil das Ergebnis dieser Veränderungen noch so im Unklaren ist, aber ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es weitergehen wird, nur anders. Darüber hinaus motiviert mich der Gedanke, dass wir sowohl Haupt- als auch Ehrenamtliche entlasten können, wenn wir Kirche anders denken. Aktuell denken wir Kirche in der Stadt noch so, als würde es keine Personalveränderungen geben und behalten alles bei, so wie es jetzt ist. Aber das führt zu einer Überlastung. Ich hoffe, mit einer Veränderung der Strukturen können wir für beide Seiten Entlastung erzielen.

Kuhlmann: Es ist offensichtlich, dass es so in der Kirche nicht weitergehen kann und wird. Und ich glaube daran, dass in Zukunft vieles geht, was wir uns heute noch nicht vorstellen können. Ich habe Vertrauen in die Menschen, dass sie nicht aus den Augen verlieren, was wertvoll und wichtig ist. Doch ich sehe auch, dass diese Entwicklung für einige schwer zu ertragen ist. Meine Motivation ist, diesen Übergang so gut es geht zu gestalten. Ich trage gerne dazu bei, Lösungen für schwierige Situationen zu finden. Und ich bin emotional nicht so sehr involviert, ich glaube das hilft auch. Letztlich müssen die Menschen, die es betrifft, miteinander klären, wie es gehen kann und soll.

Welche Herausforderungen seht ihr dabei?

Müller: Eine riesige Herausforderung liegt in der Tatsache, dass wir nicht genau wissen, wohin die Veränderung führt. Es gibt keine Lösung, auf die wir hinarbeiten, sondern müssen die Lösung im Prozess entwickeln. Das macht mich und auch viele andere Menschen ein wenig nervös, dazu kommen die Gefühle von Trauer, Abschied und Angst.

Kuhlmann: Veränderung an sich ist eine Herausforderung, vor allem, wenn sie von außen kommt. Die wird sich in jeder Konstellation anders zeigen. Einige sind skeptisch, andere lehnen neue Entwicklungen schon fast aus Prinzip ab. Aber es gibt natürlich auch die, die Chancen sehen können. Und das ist nicht immer leicht zusammenzubringen.


Was lässt euch hoffnungsvoll in die Zukunft blicken?

Kuhlmann: Mein Ziel ist, dass Dinge einfacher werden. Für alle Beteiligten. Dass der Druck weniger wird und sich neue Möglichkeiten auftun, wenn wir anfangen, Kirche anders zu denken. Denn es braucht oft viel weniger, als wir denken. So wie Jesus sagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.“

Müller: An dieser Stelle sage ich es gerne noch einmal: Die Kirche wird nicht sterben! Die Volkskirche, wie wir sie kennen, die wird nicht mehr da sein. Wir werden in eine Diasporasituation kommen und zwischen ganz vielen existieren, die nicht glauben oder nicht christlich glauben. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Vergemeinschaftung von Glauben weiterhin gelebt wird. Das Gesicht von Kirche wird sich ändern und vielleicht auch die Aufgaben, aber sie wird nicht kaputt gehen!

Alina Lübbers

SONJA KUHLMANN
• Bildungsreferentin im Jugendpastoralen Zentrum Areopag (vorher zehn Jahre im KjG-Diözesanverband Paderborn - mit viel Gremienarbeit)
• 43 Jahre alt, wohnt mit Familie in Marl
• freiwillig engagiert in der Erstkommunionvorbereitung, bei Taizé-Gottesdiensten und im Chor

KATHARINA MÜLLER
• Seit August 2024 Pastoralreferentin in St. Peter, davor acht Jahre lang in St. Antonius
• 44 Jahre alt und wohnt mit ihrer Familie in Recklinghausen
• Arbeitet in allen Arbeitsbereichen mit ehrenamtlich Engagierten zusammen und hat in St. Antonius das Ehrenamtsteam zur Ehrenamtskoordination aufgebaut