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Recklinghäuser Rat: Neue Initiative der Gedenkkultur

Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit: Gedenkfeier am 9. November am Mahnmal des Pogroms von 1938 - Recklinghausen ist seit 2009 teil des Riga-Komitees

Bürgermeister Christoph Tesche (r.), Schuldezernent Dr. Sebastian Sanders (2.v.r.) stellen die Publikation gemeinsam mit dem Redaktionsteam v.l.n.r. Dr. Franz-Josef Wittstamm, Jörg Schürmann, Georg Möllers, Nina Kliemke, Jürgen Pohl und Gerda Koch vor. (Foto: Stadt RE)

Am 9. November gedenken wir am Mahnmal des Pogroms von 1938. Errichtet vom Recklinghäuser Rat auf Initiative der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit mahnt es an den öffentlich sichtbaren Gewaltakt, dem Diskriminierung, Ghettosierung und endlich die Deportation nach Riga folgten.

2009 ist Recklinghausen bewusst dem „Riga-Komitee“ von Städten beigetreten, deren jüdische Bürgerschaft in das dortige Ghetto verschleppt worden war. Es war ein Bekenntnis, sich für die Erinnerung an die Opfer dieser Deportation einsetzen zu wollen. Recklinghausen ist seither beim Erfahrungsaustausch der Städte vertreten und war 2019 selbst Ausrichter dieses "Riga-Symposiums“.

Dabei fanden mehrere Schulprojekte, das fast vergriffene Buch „Abgemeldet nach unbekannt 1942“ und das Online-Gedenkbuch der Stadt (www.recklinghausen.de/gedenkbuch) eine positive Resonanz. An das „vielfältige Engagement von Schulen, gesellschaftlichen und religiösen Gruppen und der Stadt“ erinnerte Bürgermeister Christoph Tesche jetzt anlässlich einer weiteren Initiative: Die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit (GCJZ), der Verein für Orts- und Heimatkunde (VOHR) und der Volksbundes deutscher Kriegsgräberfürsorge, der auch das „Riga-Komitee“ vertritt, stellten eine Publikation vor:

„Riga. Ort der Opfer - Ort der Täter - Ort des Gedenkens“ lautet der Titel der 64-seitigen Schrift im DIN-A-4-Format. Gerda Koch von der christlich-jüdischen Gesellschaft: „Uns geht es darum, konkrete Lebensschicksale in Erinnerung zu rufen. Deshalb gibt es hier auch authentische Zeitzeugen berichte und Fotomaterial“. Die zynische Rechnung der Täter soll nicht aufgehen: „Umgezogen nach unbekannt“ lautete der Eintrag ins Register des Einwohnermeldebuches - und „unbekannt“ sollte das Schicksal unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger auf ewig bleiben. Zuletzt wurden die Toten der Massengräber bei Riga ausgegraben, verbrannt und ihre Asche verstreut.

Dem Redaktionsteam geht es darum, beispielhaft Recklinghäuser Familienschicksalen ein "Gesicht“ zu geben, so den Familien Frieda Abraham (Bochumer Str.), Aron (Paulusstr.), Markus (Steinstr., Bochumer Str.), Abrahamsohn (ursprünglich Marl, später Bismarckstr.), Ruth Lilienfeld (Hohenzollernstr.), Wieler (Bochumer Str.). Informationen und Augenzeugenberichte der wenigen Überlebenden geben bedrückende Einblicke in das Leben in den fünf Recklinghäuser „Judenhäusern“ und in die Deportation, die in der eisigen Kälte des Januar 1942 mit offenen Lastwagen nach Gelsenkirchen und dann mit Zügen erfolgte. Beiträge dokumentieren die Schrecken und den meist vergeblichen Überlebenskampf im Ghetto. Dass es heute Orte der Erinnerung in Riga gibt, ist Initiativen der wenigen überlebenden lettischen Juden, des Riga-Komitees unter anderem zu verdanken, die erst nach Ende der sowjetischen Herrschaft möglich wurden.

Bewundernswert ist auch der Mut und die Lebenskraft der wenigen Riga-Überlebenden, die ihr Leben und ihre Gemeinde in Recklinghausen neu aufbauten. Es waren beeindruckende Menschen wie Minna Aron, Martha Markus und ihr Ehemann Ludwig de Vries sowie Rolf Abrahamsohn. Sie gehörten auch zu den Gründungs- und Vorstandsmitgliedern der christlich-jüdischen Gesellschaft, die seit 1961 die Erinnerungskultur wesentlich prägt. Die Publikation ist gegen eine Schutzgebühr von 5 Euro beziehbar bei: info@kinderlehrhaus.de

Georg Möllers


Zwischen Integration und Verfolgung. Auf den Spuren jüdischen Lebens.

Stadterkundung:
9. November
16 Uhr bis 17.30 Uhr ab Stadtmodell bei St. Peter
Die Führung von GCJZ, VHS u. VOHR endet am Mahnmal bei der Gedenkfeier.