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Koranverbrennungen in Stockholm: Weder Blasphemiegesetze noch ein "Recht auf Blasphemie“

Bücherverbrennungen sind ein Zeichen von Ignoranz und mangelndem Respekt, aber keine kritische Auseinandersetzung mit Weltanschauungen, Religionen und ihren Anhängern

Die demonstrativen Koranverbrennungen“ in Stockholm haben Schlagzeilen gemacht und gewaltsame Reaktionen nach sich gezogen - diesmal in Bagdad. Dass die schwedische Polizei sie im Sinne der „Meinungsfreiheit“ genehmigte, wirft Fragen auf – Fragen an das Verständnis von Liberalität in demokratischen Gesellschaften. Kann ein „Recht auf Blasphemie“, wie es auch Frankreichs Staatspräsident Macron postulierte, wirklich der Maßstab mitmenschlichen Umgangs sein?

Macrons demonstrative Formulierung war auch eine Antwort auf die Anschläge islamistischer Gewalttäter. Wir erinnern uns zum Beispiel an den Mord an einem Priester am Altar oder an den Redakteuren der Satirezeitschrift Charlie Hebdo 2015 wegen der Mohammed-Karikaturen.

„Je suis Charlie“ war das trotzige Bekenntnis der westlichen Politelite. Notwendig war die Solidarität mit den Ermordeten, doch warum fehlten die Namen der anderen, z.B. des ermordeten Polizisten? Oder sollte es ein Bekenntnis sein zu dieser Art der Karikaturen?

Kein Zweifel: Menschen leiden weltweit unter Mördern, die ihre brutale Gewalt im "Namen Gottes" rechtfertigen. Sie nehmen sich das Recht, die Blasphemie, die Beleidigung Gottes oder die Mohammeds - oder das, was sie dafür halten, mit dem Tode zu bestrafen. Die Blutspur der Radikalislamisten durchzieht seit Jahrzehnten die Welt. Das „Todesurteil“ des iranische Ayatollah Khomeini 1989 über Salman Rushdie wegen seines Romans „Die satanischen Verse“ führte noch Jahrzehnte später zu einem Mordanschlag. Tödliche Angriffe auf Kirchen in Ägypten, Nigeria, Sri Lanka etc... sind nicht mehr Ausnahmen. In vielen Staaten sollen "Blasphemiegesetze“ die Beleidigungen Gottes verhindern. In Pakistan zum Beispiel sind sie das Einfallstor für die Denunzierung missliebiger Nachbarn und religiöser Minderheiten. Viele Christen sitzen jahrelang unschuldig im Gefängnis oder müssen nach Freisprüchen um ihr Leben fürchten. Auch Richter riskieren mit Freisprüchen den Tod und auch Politiker wurden schon Opfer der Fanatiker. Inzwischen mehren sich auch Gewaltakte gegen Christen in Israel. Allzu große Aufmerksamkeit gegenüber diesem Terror kann man unserer liberalen Gesellschaft nicht vorwerfen. Dabei gibt es keine größere Blasphemie, keine größere Beleidigung Gottes als die Diskriminierung oder Ermordung von Menschen "in seinem Namen“.

Noch einmal zurück zu den demokratischen Gesellschaften: Meinungsfreiheit schließt selbstverständlich die kritische Auseinandersetzung mit Weltanschauungen, Religionen und ihren Anhängern ein. Bücherverbrennungen gehören aber nicht dazu; das sollten wir gerade in Deutschland wissen. Sie sind ein Zeichen von Ignoranz und mangelndem Respekt und die Vorstufe zur Unmenschlichkeit.

Vor einem "Recht auf Blasphemie“, also der bewussten Herabsetzung dessen, was vielen Menschen wertvoll und heilig ist, sollten wir zurückschrecken. Dazu gehören auch Anschläge auf Gotteshäuser wie auch auf die Synagoge in Halle, die Störung von Gottesdiensten und die bewusste Verhöhnung von Glaubensvorstellungen. In einer sogenannten „Satiresendung“ im "öffentlich-rechtlichen“ Fernsehen wird Jesus mit der Bergpredigt plump lächerlich gemacht. Es geht um seine zentrale Botschaft der Liebe, der Solidarität mit den Unterdrückten und der Gewaltlosigkeit. Das war weder lustig noch respektvoll. Im Gegenteil: Hier zerstören wir die Grundlagen, auf denen unsere Prinzipien von Menschenwürde und Menschenrechte fußen. Ein schreiender Kontrast in einer Gesellschaft, die vorgibt und versucht, kultursensibel um Begriffe und Bezeichnungen zu ringen, die den Anschein der Beleidigung von Gruppen zu verhindern suchen: Wer Meinungsfreiheit und Respekt nicht zusammen denkt, bereitet Verachtung und Hass den Weg.  Georg Möllers

Artikel 18 Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit: 

„Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.“