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Shawn Glaeser: Die DFB-Schiedsrichter:innen

Schiedsrichter aus Leidenschaft, negative Darstellung in den Medien, Aggressionspotenzial steigt immer weiter an, Tätigkeit als Schiedsrichter fördert Persönlichkeitsentwicklung

„Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Männer (oder Frauen, Anm.d.Red) einem Ball hinterherlaufen und am Ende gewinnt Deutschland.“ Dieses bekannte Zitat des ehemaligen englischen Fußballspielers Gary Lineker ist in zwei Punkten nicht ganz korrekt - dass am Ende nämlich nicht immer die Deutschen gewinnen, hat uns die jüngste Vergangenheit gelehrt. Außerdem vergisst Lineker die Menschen, ohne die auf einem Fußballplatz nichts laufen würde - die Schiedsrichter:innen.

Schiedsrichter aus Leidenschaft

Shawn Glaeser ist einer von ihnen. Der 25-jährige, der beruflich im Bereich Beschäftigungsbedingungen und Sozialpolitik für die Deutsche Bahn arbeitet, ist seit seinem 15. Lebensjahr Schiedsrichter aus Leidenschaft - in einer Saison pfeift Glaeser über 100 Spiele. Zusätzlich ist er Mitglied im Schiedsrichterausschuss, der für die Ansetzungen zuständig ist und ist Teil des Patenprogramms in der Schiedsrichterausbildung. Als Pate eines neu ausgebildeten, jungen Schiedsrichters oder einer Schiedsrichterin betreut und unterstützt er diese in ihren ersten Spielen. Als Pate ist er der erste Ansprechpartner, gibt praktische Hinweise zur Spielleitung und soll die Integration des Neulings in die Schiedsrichtergemeinschaft fördern.

Negative Darstellung in den Medien

Glaeser bekommt demnach an vorderster Front mit, dass es immer weniger Schiedsrichter:innen gibt. Im Gespräch nennt er zwei Gründe, die er als hauptsächlich ansieht. Zum Einen ist da die oft negative Darstellung der Schiedsrichter:innen in den Medien. Allen voran natürlich die Schiedsrichterentscheidungen in den Fußballspielen auf der ganz großen Bühne, aber dieser Trend zieht sich durch alle Spielklassen und hat auch vor ihm selbst nicht halt gemacht. Jede Entscheidung wird auf die Goldwaage gelegt und da Entscheidungen von Schiedsrichter:innen im Fußball immer zuungunsten einer Partei ausfallen, wird häufig auch jede dieser Entscheidungen kommentiert. Eben nicht nur auf dem Platz, sondern auch in der öffentlichen Berichterstattung. Dadurch wird Druck aufgebaut, mit dem nur schwer umzugehen ist. Vor allem für die ganz jungen Schiedsrichter:innen.

Aggressionspotenzial steigt immer weiter an

Aber nicht nur die Darstellung in den Medien nach einem Spiel sieht Glaeser als einen der Gründe für die sinkenden Zahlen, sondern auch die Umstände, denen sich Schiedsrichter:innen während eines Spiels ausgesetzt sind. Die Aggressivität auf den Fußballplätzen gerade im Amateurbereich nimmt besorgniserregend zu. In der Saison 2021/2022 mussten im Amateurbereich 911 Spiele abgebrochen werden, so viele wie noch nie zuvor. Die Zahl der Angriffe auf die Spielleitenden nimmt weiter zu. Shawn Glaeser berichtet, dass er selbst schon solchen Angriffen ausgesetzt war. In den zehn Jahren, in denen Glaeser bislang aktiv ist, nimmt er eine Anstieg von aggressionsgeladenen Emotionen wahr - eine Rudelbildung vor fünf bis sechs Jahren sah noch anders und harmloser aus als eine Rudelbildung heute.

Tätigkeit als Schiedsrichter fördert Persönlichkeitsentwicklung

Dennoch ist Shawn Glaeser begeisterter Schiedsrichter und hat großen Spaß an seiner Aufgabe. Mit seiner Begeisterung für dieses Amt versucht er andere junge Menschen zu begeistern. Denn Schiedsrichtersein hat Glaeser sehr in seiner Persönlichkeitsentwicklung unterstützt, was ihn in seinem Berufsleben weitergebracht hat. Als Schiedsrichter muss er Entscheidungen treffen, standhaft bleiben bei allem Gegenwind, ein solides und selbstbewusstes Auftreten haben und ordentlich und korrekt arbeiten für die Ausführungen in den Spielberichten.

Der DFB hat in diesem Jahr das „Jahr der Schiris“ ausgerufen unter dem Leitsatz „Liebe den Sport - leite das Spiel“. Diese Aktion steht für gegenseitigen Respekt auf dem Spielfeld und soll für die Wertschätzung der Schiedsrichter:innen in der gesamten Fußballfamilie sensibilisieren. Alina Lübbers

Info:

In der Saison 2021/2022 waren insgesamt 50.473 Schiedsrichter:innen aktiv im Einsatz auf dem Spielfeld. Zudem wurden 5.329 Schiedsrichter:innen in der Saison ausgebildet.

Im Vergleich dazu waren vor drei Jahren, in der Saison 2018/2019 noch 57.243 aktive Schiedsrichter:innen im Einsatz, das entspricht einem Rückgang von circa 13,4%.

In der Schiedsrichterausbildung ist der Rückgang noch deutlicher - 2018/2019 wurden 6.789 Schiedsrichter:innen ausgebildet, das sind circa 27% mehr.