geistREich - Kirchenzeitung für Recklinghausen Anzeige

Global-Lokal: Sandino-Dröhnung

Ein Blick nach Nicaragua - vom Freiheitskampf zur Familiendiktatur

Daniel Ortega und Rebellengruppe „Frente Sandinista“ gehörten in den 80er Jahren zu den Idolen vieler freiheitsliebender Menschen. Hatten sie doch 1979 den Langzeit-Diktator Somoza gestürzt und Freiheit, Gerechtigkeit und Bildung für die Menschen in Nicaragua versprochen.

Auch der Priester und Dichter Ernesto Cardenal engagierte sich bis 1987 als Ortegas Kulturminister und war später auf Lesereisen auch Gast der Recklinghäuser Eine-Welt-Kreise. Zum frühen Angebot von Kaffee aus „fairem Handel“ gehörte damals selbstverständlich auch bei uns der aus Nicaragua. Er erwies sich als bitter und stark, wurde deshalb salopp als „Sandino-Dröhnung“ und „sehr ergiebig“ angepriesen und auch aus Solidarität getrunken.

Gerade diese „Etikettierung“ erweist sich im nachhinein als prophetisch: Cardenal trennte sich schon 1994 von, Ortega aus Protest gegen dessen autoritären Führungsstil. Nach den Wahlniederlagen Ortegas ab 1990 ist er seit 2006 wieder Präsident und ließ sich unter Bruch der Verfassung, durch die Verfolgung von Gegnern und Wahlfälschungen immer wieder wählen. Die Niederschlagung von Protestaktionen 2018 kostete mindestens 400 Menschenleben. Inzwischen hat der „Revolutionär“ von einst eine Familiendiktatur mit seiner Frau als Vizepräsidentin aufgebaut. Wer Menschenrechte einfordert und sich der Herrschaft widersetzt, muss mit Verfolgung rechnen. Dazu gehören Anwälte, Politiker, Journalisten, NGOs und die katholische Kirche.

Katholische Schulen, Radiosender, Universitäten wurden geschlossen, die Caritas verboten und selbst die Schwestern der Gemeinschaft Mutter Theresas aus dem Land vertrieben. Gerade wurden auch Prozessionen und Kreuzwegandachten untersagt. Vor wenigen Wochen wies das Regime 222 Gegner in die USA aus und entzog ihnen die Staatsbürgerschaft. Als sich Bischof Rolando Alvarez - der wegen seines Engagements für Menschenrechte bereits unter Hausarrest stand - weigerte, wurde er willkürlich zu 26 Jahren Haft verurteilt. Ortega, der „Freiheitskämpfer“ von einst, jetzt Bündnispartner Russlands, gehört zusammen mit Nordkorea, Syrien, Eritrea und Mali zu den wenigen Staaten, die in der UNO gegen die Verurteilung des Angriffs auf die Ukraine stimmten. Georg Möllers