Das Bürgergeld ist da. Es hat zum ersten Januar das bisherige Hartz-IV-System abgelöst. Dominik Schad, der Leiter des Jobcenters im Kreis Recklinghausen, ist die richtige Person, um darüber ins Gespräch zu kommen. Schließlich ist seine Behörde für die Umsetzung in unseren Breiten zuständig. Bevor die Inhalte dieser ,,Neuregelung der Grundsicherung für Arbeitssuchende" in den Blick genommen werden, stellt sich die Frage, ob alles in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit geklappt hat. Schließlich ist das Gesetz erst am 25. November 2022 vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden.
„So kurz war die Frist zwischen Entscheidung und Umsetzung tatsächlich noch nie", erklärt Dominik Schad. Durch das vorbildliche Engagement seiner Kollegen und Kolleginnen sei der Umstieg in unserem Kreis allerdings problemlos gelungen. ,,Zum ersten Januar sind alle rausgegangen." sei gewesen, dass die Einführung der Regelungen nicht auf einmal erfolgen musste. Bis zum ersten Juli dieses Jahres, wenn die zweite Stufe in Kraft trete, habe man nun Zeit, die weiteren Schritte vorzubereiten. ,,Der 1. Januar war für die Politik von symbolischer Bedeutung. Bisher gibt es noch keine Problemmeldungen", so Schad weiter, „aber zu einem abschließenden Fazit ist der Bewertungszeitraum noch zu Zahlungen Erleichternd kurz."
Auch wenn sich die öffentliche Diskussion im Vorfeld sehr auf die Anhebung der Regelsätze und die Sanktionsmöglichkeiten bei Versäumnissen konzentriert habe, sieht der Recklinghäuser Behördenchef die Änderungen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik als bedeutender an. Es gehe ja schließlich darum, den Menschen eine Perspektive zu geben. „Früher war es so, wenn es um die Alternative Arbeitsaufnahme oder Qualifizierung ging, musste ein angemessener Job genommen werden. Die Abschaffung des Vermittlungsvorrangs ermöglicht heute eine andere Entscheidung. Wenn nach Einschätzung des Jobcenters eine Qualifizierung langfristig als erfolgsversprechender gilt, kann sie dem Jobangebot vorgezogen werden." Die dafür zur Verfügung gestellten Instrumente seien zudem gut. So sei die zeitliche Befristung des sozialen Arbeitsmarktes, für den sich ja auch die Kirchen und Gewerkschaften im Vestischen Appell 2.0 stark gemacht hatten, entfristet worden. Auch das Coaching, das sich gerade in der Begleitung von Langzeitarbeitslosen als wirksam erweise, sei nun zu einem Regelinstrument geworden. Die Jobcenter seien zudem in der Auslegung recht frei, wie sie das inhaltlich gestalten wollen, für welche Personengruppen und in welcher Intensität.
„Ein weiterhin guter Ansatz ist die Hinzuverdienstmöglichkeit zum Bürgergeld, insbesondere im Hinblick auf den Personenkreis der unter 25-Jährigen. Das kann ein wirksamer Anreiz sein, der die jungen Menschen langfristig in die Arbeit führt", wie sich Schad hoffnungsvoll äußert. Auch im Leistungsbereich sehe er positive Entwicklungen. Es bleibe bei der Maxime ,,Fördern und Fordern". Wenn Leistungsbeziehende ihren Verpflichtungen nicht nachkämen, gebe es als letztes Mittel die Leistungsminderungen. Das Thema werde im Übrigen in der Politik viel größer diskutiert, als es im Alltag vorkomme. Die Zahlen in Recklinghausen liegen zwischen 1 und 2 %. Viel wichtiger sei die Einführung der einjährigen Karenzzeit. Die Möglichkeit, in der angestammten Wohnung zu bleiben, biete den Vorteil, dass die Menschen sich nach dem Verlust des Arbeitsplatzes nicht erst um eine andere Wohnung kümmern müssten. Stattdessen biete sich ihnen die Chance, sich voll um die Arbeitsaufnahme zu kümmern. Auch dass man den Menschen, die in guter Zeit vorgesorgt hatten, ihr Erspartes in Form des erhöhten Schonvermögens belässt, trage dazu bei, weil es die schlimmste Sorge nehme. So schaffen wir die Abstiegsangst ab, besonders für die, die lange gearbeitet haben. Das nimmt Druck weg."
Der Leiter des Jobcenters sieht im Hinblick auf das neue Gesetz zu allererst optimistisch die Chancen zur Aktivierung des Arbeitsmarktes: „Das Bürgergeld ist eine konsequente Umsetzung der Lebensrealitäten. Mit dem Schwerpunkt auf Qualifizierung besteht die Möglichkeit, eine Integration derer zu schaffen, die bisher nicht als Arbeitsmarkt-nah anzusehen sind." Joachim van Eickels