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Klinikum Vest: Zwischen Rollstuhl und Ruhrstadion

Henry Wahlig leidet an HSP - drei Buchstaben, die ein Leben im Rollstuhl bedeuten. Das Klinikum Vest richtet eine Spezialambulanz für seltene neurologische Erkrankungen ein und holt Weltspitzenforschung.

Nicole Jeschonneck, Henry Wahlig und Prof. Dr. Stephan Klebe (v.l.) setzen sich am Klinikum Vest für seltene neurologische Erkrankungen wie HSP ein. FOTO ALINA MEYER

Das Klinikum Vest baut eine Spezialambulanz für seltene neurologische Erkrankungen auf und holt so Weltspitzenforschung nach Recklinghausen.

Fußball ist Henry Wahligs große Leidenschaft. Der 44-Jährige arbeitet nicht nur als Veranstaltungsmanager im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. Zu hause in Bochum blickt der treue VfL-Fan auch aus der heimischen Wohnung direkt auf die Castroper Straße 145 – das Ruhrstadion. Nur selbst einmal den Ball kicken, das blieb dem zweifachen Familienvater schon als Kind verwehrt: Henry Wahlig leidet an HSP – drei Buchstaben, die ein Leben im Rollstuhl bedeuten (können).

Die sogenannte Hereditäre Spastische Spinalparalyse ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der, einfach ausgedrückt, die Nerven im Rückenmark nicht mehr zuverlässig arbeiten und die Impulse der Hirnrinde nicht mehr richtig zum Muskel weiterleiten. Die Folge: eine unkontrolliert erhöhte Muskelspannung und damit einhergehende Muskelschwäche, die in der Regel langsam, aber stetig voranschreitet. Diese Spastik zeigt sich vor allem in den Beinen, manchmal sind aber auch Arme und kognitive Bereiche wie die Sprache betroffen. Auch Blasen- und Erektions- sowie Gefühlsstörungen können symptomatisch sein. Bis zu 8000 Menschen sind heute in Deutschland an HSP erkrankt. Diese ungenaue Zahl ist nur eines der Probleme des statistisch als selten geltenden Krankheitsbildes. Da nur wenige Ärzte damit vertraut seien und die Symptome Krankheiten wie Multiple Sklerose und Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ähnelten, seien Fehldiagnosen häufig, so Wahlig. Er selbst hatte Glück im Unglück. Ein Sportlehrer in der Grundschule bemerkte früh, dass Henry Wahlig langsamer lief als andere Mitschüler, dass er häufig über seine eigenen Füße stolperte. Weil er familiär vorbelastet war, wurde die Diagnose dann relativ zügig gestellt. So wird HSP durch Veränderungen in der Erbsubstanz, der DNS, verursacht. Die Krux: Es gibt nicht den einen bestimmten Gendeffekt, der ab einem bestimmten Alter zur Erkrankung führt, sondern viele verschiedene. Und so ist HSP auch nicht eine einzige Krankheit. Das macht es für Forschende nicht leicht, eine passgenaue Therapie zu finden. Heilbar ist HSP nicht. „Aber es wäre schon schön, wenn es neue Ansätze gäbe, die die Symptome lindern und uns Betroffenen mehr Lebensqualität schenken“, sagt Wahlig, der - weil den Erkrankten die große Lobby fehlt – ständig für alles kämpfen müsse und das Gefühl habe, „immer mehr Bürokratie auferlegt zu bekommen“. Und: Jeder Gang koste Kraft. Viel Kraft: „Es fühlt sich an wie ein Sack Zement am Bein, der immer schwerer wird.“ 


Nun: Henry Wahlig ist zwar kein aktiver Kicker, den Kampfgeist eines Fußballprofis hat er dennoch. Er rief 2021 nicht nur eine Challenge ins Leben, bei der er täglich mit dem Kinderwagen 1,848 Kilometer (1848 war die Geburtsstunde „seines“ VfL Bochum) um das Ruhrstadion herum lief und Spendengelder sammelte. Er führt heute auch maßgeblich die vor mehr als 25 Jahren von seinem Vater gegründete Tom-Wahlig-Stiftung weiter, die die Weltspitzenforschung beim jährlichen Symposium in Deutschland vereint und „auf kleiner Flamme auch Projekte junger Doktoranden“ subventioniert. Eine solche Förderung für ein wissenschaftliches Projekt erhielt seinerzeit Prof. Dr. Stephan Klebe (53), seit April neuer Chefarzt der Neurologie am Klinikum Vest. Ob er bekennender Fußballfan ist, ist offen. Ein Teamplayer ist er in jedem Fall.

Klebe, der eine „gut funktionierende, breit aufgestellte Klinik vorgefunden“ hat, möchte sein Steckenpferd, dazu gehören Parkinson-Bewegungsstörungen sowie seltene neurologische Erkrankungen, am Standort Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen noch weiter ausbauen und hat dazu innerhalb kürzester Zeit eine Spezialambulanz für HSP und andere neurologische Bewegungsstörungen aufgebaut. Als einziges nicht-universitäres Krankenhaus sei das Klinikum Vest damit eines der drei großen Zentren bundesweit, die dem Forschungsnetzwerk „TreatHSP“ angehören und Koryphäen aus aller Welt in die Forschung einbinden. „HSP ist eine wahnsinnig heterogene Erkrankung. Hier Therapieerfolge zu validieren, ist unglaublich schwer“, sagt Wahlig, der froh ist, dass Betroffene durch die neue Spezialambulanz in Recklinghausen nun „die bestmögliche Versorgung und richtige neurologische Diagnose bekommen“. 


HSP-Zentren aus ganz Deutschland können mithilfe der TreatHSP-Registerstudie schnell diejenigen Betroffenen erreichen, die für eine klinische Studie infrage kommen, erläutert Klebe das Prinzip. Intensiv werde derzeit an Parametern gearbeitet, die möglichst sensibel anzeigen, ob eine Therapie anschlägt, darunter sensorbasierte Ganganalysen oder Biomarker, die die Wirkung von Medikamenten wie Botulinumtoxin gegenüber Placebos untersuchen.

„HSP ist eine Degeneration der Nervenbahn“, weiß Wahlig, „sie ist vermutlich kaum reparabel“ – so wenig wie das derzeitige Schlusslicht VfL Bochum in dieser Saison wohl Meister wird. Aber die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, darum lohnt es sich ebenso zu kämpfen wie beim Fußball um den Klassenerhalt. Aufgeben gilt nicht. Ina Fischer


WEGE ZUM GLÜCK

So gehen wir zufriedener durchs Leben

„Sag mal, bist Du eigentlich glücklich in Deinem Leben?“ Oft kommt als Antwort hierauf ein gedehntes „Na ja …“, wie der Berliner Psychotherapeut Wolfgang Krüger sagt.

Wer den Weg zu Glück oder mehr Glück finden will, sollte sich zu sich selbst aufmachen. „Das kann mit mehr Achtsamkeit im Alltag sich selbst gegenüber gelingen“, sagt Psychotherapeut Wolfgang Krüger. Einfach Dinge bewusster wahrnehmen, sie auf sich wirken lassen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Grundsätzlich aber gibt es einiges, was wir für uns und unser Glück tun können.

Das Leben verlangsamen

Viele leben im übertragenen Sinne permanent auf der Überholspur. „Das laugt auf Dauer aus und vernebelt die Sicht auf die wirklich wichtigen Dinge“, sagt Psychotherapeut Wolfgang Krüger. Sein Rat: Das Leben verlangsamen.

Etwas Gutes für andere tun

„Wer anderen etwas Gutes tut, erfährt oft viel Dankbarkeit, in Blicken wie in Worten“, sagt Dorothee Salchow. Auch das kann einem selbst Glücksmomente bereiten oder verstärken.

Einer Lieblingsbeschäftigung nachgehen

„Regelmäßiges Sporttreiben oder etwa Singen kann Glückshormone in einem Menschen freisetzen“, sagt Wolfgang Krüger. Gleiches gilt für Spielen oder Lesen. Vorausgesetzt, die jeweilige Beschäftigung macht einem per se Spaß. 

Glück auch aus kleinen Momenten herausziehen

Mitunter sind es kleine Momente, aus denen sich viel Glück herausziehen lässt, wie Krüger sagt. Das kann beispielsweise eine Tasse Kaffee sein, die man in netter Gesellschaft auf einer lauschigen Terrasse trinkt. Auch ein spontanes Lachen macht glücklich. 

Glück „tanken“

Auch gezielt Glück „tanken“ ist durchaus möglich. Dafür reiche oft schon eine kurze Auszeit in der Natur. Zum Beispiel bei einem Waldspaziergang bewusst die Luft einatmen – und die Erinnerungen an diese Momente mit in den Alltag nehmen. dpa