Kirchenzeitung geistREich - Magazin der Stadtkirche Recklinghausen Anzeige

Kinderbuch „Die große Wörterfabrik“

Das Buch fängt die Essenz der Sprache und zwischenmenschlicher Beziehungen ein. Cilli Leenders-van Eickels reflektiert über die kostbaren Schätze der Worte und deren Fähigkeit, unser Herz zu berühren

„Kinder und Narren sagen die Wahrheit“, pflegte mein Opa zu sagen, wenn eines seiner Enkelkinder frei und ungefiltert eine Situation kommentierte, damit den Nagel auf den Kopf traf und aussprach, was auch viele Erwachsene dachten, sich aber nicht zu sagen trauten.

<br/>

Kennen Sie das auch? Begegnungen mit Kindern können so bereichernd sein. Ich jedenfalls empfinde es als Privileg regelmäßig aus der Erwachsenenwelt herauszutreten und in die Gedanken- und Lebenswelt von Kindern einzutauchen. Wer sich darauf einlässt, begegnet oft einer ganz neuen Sicht auf uns und unsere Welt und die ist alles andere als naiv. Sie ist kindlich, aber nicht kindisch. Bilder- und Kinderbücher sind dafür beste Belege.

Agnès de Lestrade und Valeria Docampo haben ein solch tolles Kinderbuch geschrieben: „Die große Wörterfabrik“. Die Geschichte erzählt von einem Land, in dem die Menschen fast gar nicht miteinander reden. Der Grund: In diesem sonderbaren Land muss man die Wörter erst kaufen und dann schlucken, bevor man sie aussprechen kann.

Es gibt Wörter, die sind wertvoller als andere, kosten aber viel Geld. Diejenigen, die wenig Geld haben, durchsuchen deshalb manchmal die Mülltonnen nach Wörtern. Aber die weggeworfenen Wörter sind meist wertlos. - Man findet nur „HUNDEKACKA“ oder „HASENPIPPI“ und was soll man damit schon anfangen? - Eins ist klar: Wer im Land der Wörterfabrik lebt, der überlegt sich genau, was und wann er was sagt!

Der kleine Paul macht in der Geschichte eine wunderbare Entdeckung: Ihm fehlt das Geld, um die Wörter zu kaufen, mit denen er seiner Freundin Marie sagen kann, dass er sie mag. Er hat lediglich die drei Wörter „KIRSCHE“, STAUB“ und „STUHL“ zusammengespart. Als er an Maries Geburtstag vor ihrer Tür steht, kann er nicht sagen: „Hallo, wie geht's?“, weil er diese Wörter gar nicht hat. Stattdessen lächelt Paul. Und Marie lächelt zurück. Da nimmt Paul allen Mut zusammen, denkt ganz fest an all die guten Gefühle, die er für Marie empfindet und dann sagt er die Wörter, die er für sie mitgebracht hat: KIRSCHE, STAUB, STUHL“. Marie ächelt berührt. Und weil sie keine Wörter hat, gibt sie Paul einen sanften Kuss auf die Wange. Wie gut, dass Paul ein Wort, das er vor langer Zeit in einer Mülltonne entdeckt hat, aufgehoben hat. Für dieses Wort ist jetzt der richtige Moment. Er blickt Marie fest in die Augen und dann sagt er ihr: „NOCHMAL“.

Wie schön, dass es gar nicht so viele Worte braucht, um jemandem zu sagen: „Es ist toll, dass es dich gibt!“

Ich möchte ehrlich gesagt - nicht unbedingt ins Land der Wörterfabrik umziehen, aber dass es nötig ist, meinen Wortschatz zu prüfen, dass es sich lohnt, kostbare und unnütze Wörter zu unterscheiden und dass es sich lohnt, das Herz sprechen zu lassen, daran erinnern mich Marie und Paul. Und: Was die beiden erlebt haben, das lädt doch zur Nachahmung ein. Wenn Sie dieser Versuchung nicht widerstehen können, dann wünsche ich Ihnen dabei viel Vergnügen!
Cilli Leenders-van Eickels


Cilli Leenders-van Eickels

• 65 Jahre
• Verheiratet
• Vier Kinder, sechs Enkelkinder
• Pastoralreferentin
• Vorlieben für:
lesen, stricken, nähen und Urlaube in Frankreich und in den Bergen