Ein kluger Kopf des frühen Christentums, Paulus, brachte eine für ihn zentrale Erfahrung aus dem Glauben so ins Wort: „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit!“
„Freiheit“: Dazu darf uns heute nicht nur die „Statue of Liberty“ vor Manhattan einfallen oder Westernhagens schöner Song zur Freiheit. Sondern auch: Es gibt eine Freiheit aus Gottverbundenheit, die kann einem niemand nehmen! Das ist urchristliche Erfahrung und wurde immer wieder „gefährliche Erinnerung“, weil Christinnen und Christen da heraus „alles wagten“ – auch wenn die Amtskirche infolge der konstantinischen Wende vieles dafür getan hat, diese Freiheit immer wieder „einzuzäunen“.
Aus dieser gefährlichen Freiheitserinnerung heraus fanden ein Dietrich Bonhoeffer, eine Sophie Scholl, ein Alfred Delp und andere die Kraft zum Widerstand in nationalsozialistischer Zeit gegen die Barbarei und systemische Vernichtung von Leben.
Dieser Geist gab – trotz staatlicher Verfolgung durch das Putin-Regime – einem Alexei Nawalny die Kraft im Schlusswort des letzten Prozesses die Worte der Bergpredigt zu zitieren: „Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden satt werden“ (Matthäusevangelium 5,6). Das möge „exotisch und seltsam klingen“ – so sagte er, aber er sei der Überzeugung, dass sich „am Ende die Wahrheit durchsetze und der Durst nach Gerechtigkeit gestillt werde“. Für ihn die Freiheitsbotschaft gegen den herrschenden Totalitarismus in seinem Land.
Es ist wohl so, dass dieser Geist in den vergangenen Monaten und Wochen auch manchen in unserem Land aufstehen und auf die Straßen und Plätze gehen ließ, um – angesichts der menschenverachtenden Überlegungen einer rechten Gruppe in Potsdam und vieler AfD-Politiker – deutlich zu machen, dass eine offene Gesellschaft und Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie die eigentlichen Eckpfeiler gegen Unfreiheit und Ausgrenzung sowie Menschenverachtung und Faschismus sind.
Dieser Geist ist „im Größeren“ der Welt – wie im Normalalltag lebendig. Und er wird bei uns und mir zu einer „gefährlichen Erinnerung“, wo ich im alltäglichen Leben eine Freiheit wage, die ansteckend Lebensliebe konkret werden lässt: ob in meiner Mitmenschlichkeit, meiner Parteilichkeit für die Schöpfung oder meinem Engagement, damit„... der Hunger und Durst nach Gerechtigkeit“ im Konkreten des Alltags gestillt wird.
Die Pfingsttage sind die christliche Feier des Geistes Jesu und der Freiheit, die sich damit verbindet. Daher sind sie nicht nur schöne und harmlose Feiertage.
Vom biblischen Pfingstgeschehen wird erzählt, dass viele Menschen zusammenkamen – und jede*r in seiner Sprache verstand, „worum´s in Gottes Geist geht“. Diese Erinnerung – die immer auch gefährliche Freiheitserinnerung ist – verbindet sich mit dem Wunsch für ein „Frohes Pfingsten“ heute. In diesem Sinne: Frohe Pfingsttage! ■ Ludger Ernsting
Ludger Ernsting
• geboren 1957 in Rheine-Catenhorn
• Studium in Münster und Freiburg (Philosophie und Theologie)
• Bergbauzeit als „angelernte Hilfskraft“ auf General Blumenthal 1984
• seit 1986 im priesterlichen Dienst
• Drei Kaplanstellen: Beckum, Weeze, Marl, dann 15 Jahre Gemeindepfarrer in Dorsten
• seit 2009: Gastkirche und Gasthaus in Recklinghausen
• Hobbys: Lesen, Radfahren, Doppelkopf