Am 9. Mai wird in Nordrhein-Westfalen der Vatertag gefeiert, nur wenige Tage später, am 12. Mai, der Muttertag. In Kindergartengruppen und Schulklassen werden bis dahin sicherlich viele nette Kleinigkeiten gebastelt, mit denen Jungen und Mädchen ihren Eltern eine Freude machen können. Doch nicht selten sind in diesen Gruppen auch Kinder, die bereits ein Elternteil verloren haben; die schon in jungen Jahren mit den Themen Trauer und Tod konfrontiert wurden. Ihr Verlust rückt an diesen Tagen noch einmal besonders in den Vordergrund.
Das wissen auch Anna Pein und Petra Wierschem. Die Frauen engagieren sich beide ehrenamtlich im Verein „Hilfe für verletzte Kinderseelen“, der seit mittlerweile sieben Jahren in Recklinghausen beheimatet ist und Kindern wie Jugendlichen in Phasen der Trauer eine Anlaufstelle bietet. In Trauergruppen können die Heranwachsenden (zwischen vier und 18 Jahren) alle 14 Tage in den Räumen an der Hochstraße 54a zusammenkommen, um sich auszutauschen und Erlebtes zu verarbeiten.
„Jedes Kind trauert anders“, das betonen Anna Pein und Petra Wierschem immer wieder. Anders, als viele Angehörige es erwarten würden, weinen Kinder nicht unbedingt, wenn sie trauern, erklärt Anna Pein. Ihre Ausdrucksform sei ihr Verhalten. Da ist zum Beispiel Ida* (die Namen der Kinder haben wir zum Schutz der Anonymität geändert). Sie hat, nachdem sie vom Tod ihrer Oma erfuhr, in einem Wutanfall Stühle und Kissen durch die Wohnung geworfen und die Tischdeko auf den Boden gefegt.
Der kleine Leon hat mit ansehen müssen, wie sein Vater infolge eines Herzinfarktes reanimiert werden musste. In jeder Gruppenstunde schnappt er sich jemanden aus dem Ehrenamtsteam und spielt „Reanimation“ mit ihnen. Unermüdlich kämpft er dann um das Überleben seines „Patienten“ mit dem immer gleichen Ergebnis: Der Patient verstirbt – so wie auch seinem Vater nicht geholfen werden konnte.
Das eine Kind möchte besonders viel toben, ein anderes sich lieber zurückziehen und Musik hören. Im Verein „Hilfe für verletzte Kinderseelen“ werden die Kinder und Jugendlichen während dieses Prozesses begleitet und bekommen die Möglichkeit, so zu trauern, wie sie es möchten.
Im Kreativraum können sie sich künstlerisch austoben, die Wände bemalen, aber auch Geschenke für ihre Verstorbenen basteln. „Zum Valentinstag haben wir mit den Kindern Gedenktassen bemalt und jetzt zum Vatertag gestalten wir Tontöpfe und säen dort die Samen von Vergissmeinnicht aus, die die Kinder dann, wenn sie möchten, ans Grab ihrer Väter stellen können“, berichtet Anna Pein. In der Snoozle-Ecke haben die Trauernden ihre Ruhe, können schlafen, lesen und sich zurückziehen. In einer Sporthalle können die Kinder und Jugendlichen ihre Trauer beim Klettern oder Boxen heraustoben.
Ein fester und immer gleicher Bestandteil der Trauergruppen sei jedoch der Erzählkreis zum Beginn und Ende jedes Treffen. Vor dem Trauerbaum, an den die Kinder Fotos ihrer Verstorbenen hängen dürfen, kommen alle zusammen, um über ihre aktuellen Gefühle zu reden – so sie denn reden wollen. „Uns geht es darum, dass Bewusstsein der Kinder zu stärken, dass sie in ihrer Situation nicht allein sind, dass sie hier im Redekreis hören: Ach guck mal, der Junge hat seinen Vater auch an einen Hirntumor verloren‘. Das hilft ihnen“, erklärt Petra Wierschem, die als Lehrerin gearbeitet hat und nun ehrenamtlich das Team von „Hilfe für verletzte Kinderseelen“ unterstützt.
Erfahrungsgemäß würden die Kinder und Jugendlichen zu Anna Pein und ihrem Team kommen, wenn ein Angehöriger bereits verstorben ist. „Ich kann aber auch dazugerufen werden, wenn sich ein Familienmitglied in seiner letzten Lebensphase befindet und den Kindern beigebracht werden muss, dass Mama, Papa, die Großeltern oder ein Geschwisterkind stirbt“, berichtet Familientrauerbegleiterin Anna Pein.
So bereite sie auch gemeinsam mit den Kindern Beerdigungen vor oder treffe sich beim Bestatter, um den Sarg zu bemalen. „Ein Junge war dabei mal völlig entsetzt ‚da soll meine Oma reinpassen?` hat er gefragt, als er den Sarg gesehen hat. Er wollte sich dann selbst einmal reinlegen, um zu prüfen, ob seine Oma es auch wirklich bequem hat. Erst dann konnten wir mit dem Anmalen beginnen“, erinnert Anna Pein sich.
Ihrer Erfahrung nach sei es der falsche Ansatz zu denken, Kinder würden etwas nicht mitbekommen oder man müsse das Kind schonen und die Nachricht über eine tödliche Erkrankung so lange wie möglich verheimlichen. „Kinder können damit auf ihre Art umgehen. Sie sind stärker, als man denkt“, betont sie.
In der Regel würden die Kinder und Jugendlichen zwei bis drei Jahre die Trauergruppen besuchen. In dieser Zeit lernen sie, mit dem Verlust ihres geliebten Menschen umzugehen. Während die Kinder in ihren Gruppenstunden sind, hätten auch ihre Angehörigen Zeit, in einem Nebenraum zusammenzukommen und sich auszutauschen. So könne oftmals auch den Eltern durch ihre eigene, kleine Trauergruppe geholfen werden. Die Angebote des Vereins „Hilfe für verletzte Kinderseelen“ sind für alle Familien kostenlos. Wer Kontakt zum Verein aufnehmen möchte, kann sich telefonisch unter Tel. 02361 /303388-0 oder per Mail an mail@verletzten-kinderseelen-helfen.de an Anna Pein und ihr Team wenden. ■ Janine Jähnichen
Ehrenamtliche für Trauergruppen gesucht.
Aktuell besteht das Team aus sieben Ehrenamtlichen. Damit das Angebot weiter in vollem Umfang umgesetzt werden und auf eine Warteliste verzichtet werden kann, sucht das Team dringend Unterstützung. Gesucht werden Ehrenamtliche für die Trauergruppen, aber auch für die Öffentlichkeitsarbeit (m/w/d).
Kontakt: Tel. 02361 /3033880-0 oder Mobil 0176/56841372.
Der Verein „Hilfe für verletzte Kinderseelen“ finanziert seine Trauerarbeit allein durch Spenden.
Volksbank Marl-Recklinghause
Empfänger: Hilfe für verletzte Kinder-Seelen gGmbH
IBAN: DE16 4226 1008 5117 5118 00 | BIC: GENODEM1MRL
Sparkasse Vest Recklinghausen
Empfänger: Hilfe für verletzte Kinder-Seelen gGmbH
IBAN: DE 73 4265 0150 1001 3015 12 | BIC: WELADED1REK