geistREich - Kirchenzeitung für Recklinghausen: Kinderaugen zum Leuchten bringen Anzeige

An Weihnachten arbeiten: vier Geschichten aus Recklinghausen

Die Meinung der Menschen aus vier verschiedenen Berufsfeldern: Gastgewerbe, Verkehr, Logistik, sowie im Gesundheits- und Sozialwesen

Foto: Kl
Foto: Kl

Die Weihnachtszeit bedeutet für die meisten Menschen in Deutschland einige freie Tage im Kreise der Liebsten zu verbringen. Bei all der besinnlichen Weihnachtsstimmung dürfen allerdings die Menschen nicht vergessen werden, die an Weihnachten nicht die Möglichkeit haben, mit Familie und Freunden zu feiern.

Arbeiten über die Festtage: Das betrifft in Deutschland laut einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts jeden zehnten Arbeitnehmenden. Wer im Gastgewerbe, im Verkehr, in der Logistik, sowie im Gesundheits- und Sozialwesen tätig ist, hat das Los des Arbeitens an den Feiertagen gezogen.

Auf unserer Panoramaseite im Dezember erfahren wir, was Menschen aus Recklinghausen, darüber denken, an Weihnachten arbeiten zu müssen.

Alina Lübbers


Busfahrer: Die Vestische fährt jeden Tag Fabian Schneider, 21 Jahre
Busfahrer: Die Vestische fährt jeden Tag Fabian Schneider, 21 Jahre

„Dass nicht die ganze Familie an Weihnachten zusammenkommt, so bin ich sozusagen aufgewachsen“, sagt Fabian Schneider und schiebt hinterher: „Meine Eltern kennen es auch nicht anders.“ Die Schneiders sind eine Busfahrer-Familie. Fabian sitzt seit Januar bei der Vestischen hinterm Steuer, Vater Ralf seit mehr als 30 Jahren. Diesmal ist es Fabian, der am ersten und zweiten Feiertag auf Linie und nicht am Tannenbaum sein wird. Fahrzeuge und Motoren haben den Recklinghäuser schon immer fasziniert. Nach der Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker wechselte er zur Vestischen. Er wusste, was da auf ihn zukommt. Der ÖPNV zählt zur gesellschaftlichen Grundversorgung, und die verantwortungsvolle Aufgabe haben Fabian Schneider und seine Kolleginnen und Kollegen fast rund um die Uhr, an Wochenenden und eben auch an Weihnachten. „Klar, die Zeit kann mir niemand zurückgeben“, erzählt er. „Aber einerseits kriege ich einen Feiertagszuschlag. Anderseits bleibt uns der Heiligabend, an dem wir in St. Antonius wie immer in die Kirche gehen.“

Christoph van Bürk


Pflegekraft: Immer für den Menschen im Einsatz Hannah Ruhnau, 21 Jahre
Pflegekraft: Immer für den Menschen im Einsatz Hannah Ruhnau, 21 Jahre

An Weihnachten zu arbeiten, ist eigentlich eine schöne Sache. Zu keiner Zeit im Jahr kehrt in einem Krankenhaus so viel Ruhe ein, wie an den Feiertagen. Das liegt daran, dass nur die nötigsten Untersuchungen und Operationen stattfinden. Ich komme mit den Patienten viel mehr ins Gespräch. Nicht alle bekommen Besuch von Angehörigen und sind traurig über die Situation. Als Pflegekraft ist man vielleicht selbst auch traurig, gerade nicht beim Weihnachtsfrühstück mit der Familie sein zu können. Man kann die Patienten jedenfalls gut verstehen und man versucht, Ablenkung zu schaffen. An meinem ersten Weihnachten in der Ausbildung gab es eine schöne Situation mit drei älteren Damen. Alle drei waren sehr traurig, dass sie nicht in die Kirche gehen konnten. Aber der Krankenhausseelsorger kam und hat Weihnachtsgrüße verteilt. Ich bin später beim Mittagessen bei den Frauen im Zimmer sitzen geblieben und sie haben mit mir ein paar Weihnachtslieder gesungen. So hatten wir alle ein schönes Erlebnis. Ich trage auf der Arbeit auch gerne lustige Socken mit Mustern darauf, weil man damit den einzigen Unterschied zur vorgeschriebenen Krankenhauskleidung machen kann. An Weihnachten im vergangenen Jahr habe ich mit meinen weihnachtlichen Socken viele Patienten zum Lachen gebracht und sie wollten am nächsten Tag direkt sehen, was ich heute für Socken trage.

Alina Lübbers


Gastronomen: Sie geben ein Stück Glück zurück Giovanna, 39 Jahre und Claudio Gabriele, 50 Jahre
Gastronomen: Sie geben ein Stück Glück zurück Giovanna, 39 Jahre und Claudio Gabriele, 50 Jahre

Am Weihnachtsabend allein. Die Wohnung klein, der Kühlschrank leer, das Land noch fremd. Das Telefon soll die Sehnsucht stillen. Doch als die Mutter von Claudio Gabriele in Italien abhebt, wünscht er der Familie frohe Weihnachten und notlügt, er sei noch gleich bei Freunden eingeladen. „Niemand sollte zu Weihnachten allein sein müssen“, sagt der Inhaber des „La Dolce Vita“ und des „La Piazza“ Jahrzehnte später. Immer an Heiligabend laden seine Frau Giovanna und er Kinder ein, die in Not und ohne Eltern sind. Mal sind es vielleicht zwölf, mal 20, einmal waren es 30 Gäste. Dann tischen sie im „La Dolce Vita“ auf, und neben jedem Teller steht ein Geschenk. Einfach ein Stück vom eigenen Glück im Leben zurückgeben.

Danach ist Weihnachten zwar purer Stress, das Restaurant an den Feiertagen ausgebucht und auch das Café am zweiten Tag geöffnet. An einen Besuch aus der Heimat ist gar nicht zu denken. Aber: „Wenn wir diese Kinder beobachten, spüren wir die Magie von Weihnachten. Das gibt genug Kraft.“

Christoph van Bürk


Krankenschwester: Verbundenheit und Nähe an Weihnachten Melanie Popielas, 46 Jahre
Krankenschwester: Verbundenheit und Nähe an Weihnachten Melanie Popielas, 46 Jahre

In erster Linie bedeutet es für mich Rücksichtnahme auf die Kolleginnen/Kollegen mit Kindern bis ins Teenageralter. Sie haben bei uns im Hospiz zum hl. Franziskus an Heiligabend grundsätzlich dienstfrei. Ehrlich gesagt, ist das nicht immer leicht, an Heiligabend nicht bei der eigenen Familie zu sein. Ich habe mich für den Pflegeberuf entschieden, da zählt das Arbeiten an Feiertagen und Wochenenden selbstverständlich mit dazu. Wie ist es also dann Weihnachten zu arbeiten? Es ist für mich eine besondere Atmosphäre: Es ist stiller als sonst, es riecht nach frischer Tanne, die Lichterketten leuchten. Ich fühle Weihnachten am Arbeitsplatz als Verbundenheit und Nähe. Schön und besonders sind die Gespräche mit den Bewohner*innen und ihren Angehörigen. Natürlich gibt es traurige Momente, denn alle wissen, spüren: Weihnachten 2025 werden wir nicht mehr gemeinsam erleben. Darum noch einmal die Plätzchen schmecken können, jetzt gebacken von der Tochter nach Mutters Rezept. Und: Keine Schmerzen haben zu müssen. Das ist Weihnachten für die, für die ich an Weihnachten gern arbeite. Wir Pflegende bekommen so viel mehr zurück, als wir selbst geben, nicht nur, aber auch am Weihnachtsfest.

Aloys Wiggeringloh