Die Ankunft von Pflegerinnen am 29./30. Mai 1849 war eine Zäsur: Im ersten Krankenhaus im Vest Recklinghausen fand gerade die mittellose Bevölkerung Hilfe. Mehr noch: Das Engagement dieser „christlichen Aktivistinnen“ vor 175 Jahren erwies sich als Beginn einer Zeitenwende.
Die Stiftung für das Gebäude hatte der Herzog Prosper von Arenberg ausdrücklich mit der Unterstützung durch Pflegekräfte verbunden. Woher sollten sie kommen in Zeiten ohne Krankenversicherungen, staatliche Ausbildung, Tarifverträge mit Lohn- und Arbeitszeitregelungen? Er fand sie in einer 30 Jahre zuvor gegründeten Gruppe. Die zunächst fünf jungen Frauen wollten ihr Leben gemeinschaftlich in den Dienst der Mitmenschlichkeit stellen. Ihre Inspiration fanden sie im christlichen Glauben. Da die Stadt Münster diesen „Barmherzigen Schwestern“ die Leitung des Clemenshospital übergeben hatte, wurden sie auch unter dem Namen Clemensschwestern bekannt. 1930 arbeiteten bereits 2600 Mitglieder in 123 Niederlassungen. Frauenorden gründeten Krankenpflegeschulen, in Recklinghausen unter Leitung von Schwester Gonza von Galen, die später mit der Großen Stadtplakette geehrt wurde.
Es waren solche Gemeinschaften und die evangelischen Diakonissen, die auf die großen Herausforderungen der industriellen Revolution reagierten. Neue Ballungsräume für die zugewanderten Arbeitskräfte entstanden. Wohnquartiere mit beengten Verhältnissen umgaben die Zechen. Zu den hygienische Problemen kam der Mangel an Sozial- und Bildungseinrichtungen. Der Staat und die rasant wachsenden Städte waren überfordert. In Süd arbeiteten Franziskanerinnen seit 1903 im Elisabeth-Krankenhaus. Sie kümmerten sich um wurmkranke Bergleute“, gefährliche Magen- und Darmerkrankungen und Brechdurchfälle Kinder. Bei Pocken-, Ruhr- und Typhusepidemien waren es Ordensfrauen, die sich in die Seuchenbaracken wagten. In allen Stadtteilen entstanden „Schwesternhäuser“, die die Armenfürsorge organisierten. Zudem besuchten sie Kranke und halfen den Familien mit Kindern, wenn die Mütter erkrankten. Sie leiteten die ersten Kindergärten und übernahmen die damals unverzichtbare Ausbildung in Koch-, Näh- und Handarbeitskursen. Viele Schwestern, wie Bertrandis (Grullbad) oder Reginaldis (Süd), sind bis heute unvergessen. Das Waisenhaus wurde von Orden geführt und die Stadt bat um ihre Hilfe für die städtische Altenheime wie in Hochlar und Grullbad. Aus dem Säuglings- und Kinderkrankenhaus der Vorsehungsschwestern in Nord ging später die Kinderklinik in Datteln hervor.
Neue christliche Gemeinschaften, die auf unmittelbare Notlagen reagieren, entstehen weltweit. Den 1969 in Indien gegründeten „Dienerinnen der Armen“ können wir nun seit April in St. Michael in Hochlarmark begegnen. Die 600 Schwestern engagieren sich vor allem in Indien in Sozialstationen, Behinderten- und Aidsheimen, Kranken- und Geburtsstationen, Altenheimen und Kindergärten. Damals ging die Initiative von Schwester Petra Mönnigmann aus Oelde aus. Beim Begrüßungsgottesdienst strahlten die Schwestern Suramya und July Freude auf die neue Aufgabe aus. Schwester July über ihre Arbeit als Altenpflegerin: „Es ist nicht nur die Pflege, sondern die Zeit, die ich mir für die Menschen nehme, um ihnen zuzuhören und für sie da zu sein.“ Zwei weitere Schwestern werden folgen. So schlagen die inzwischen in Deutschland gegründeten Gemeinschaften nun ein Brücke zur Heimat der Gründerin und machen auch in Hochlarmark die Kirche als weltweite Gemeinschaft sichtbar.
Georg Möllers