geistREich - Kirchenzeitung für Recklinghausen - Dankbar sein Anzeige

Recklinghausen: Zwangsarbeit - eine vergessene Kriegsfolge

Am Donnerstag, 19. Oktober gibt es einen Vortrag in der Volkshochschule, Willy-Brandt-Haus, Herzogswall

Gräber von Fremdarbeitern und -arbeiterinnen, Waldfriedhof (Foto. G. Möllers)
Gräber von Fremdarbeitern und -arbeiterinnen, Waldfriedhof (Foto. G. Möllers)

Sie sind „menschliche Kollateralschäden“ jedes größeren Krieges: Vom „Babylonischen Exil“, über Verschleppungen nach Sibirien, die systematische Verknechtung durch das NS-Regimes bis hin zu den heutigen Kriegen in der Sahel-Zone oder in der Ukraine. 

Und viele Spuren dieses menschlichen Lebens verschwinden – auch in der Erinnerung. Auf unseren Friedhöfen liegen 520 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. 82 % von ihnen stammten aus der UdSSR; andere waren Polen, Belgier, Holländer, Serben, Kroaten, Norweger und Italiener. 

Ihre Behandlung erfolgte nach genauen Vorschriften der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Die Vorschriften wurden dem Wachpersonal ausgehändigt. Auf die strenge Durchführung wurde geachtet. Vor allem war die nationalsozialistische Rassenideologie der Maßstab für die Unterschiede: Angehörige „germanischer Völker“ standen deutlich über „Slawen“, die ja als „Untermenschen“ diffamiert wurden. August Wessing, ehemals Kaplan in König-Ludwig, kam im KZ ums Leben, weil er sich verbotenerweise um slawische Zwangsarbeiter gekümmert hatte. 

In Recklinghausen kamen 1940 bis 1945 pro Jahr etwa 8.000 bis 10.000 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter zum Einsatz. Arbeitsplätze waren die Landwirtschaft, vor allem die Zechen, Bergbau-Zulieferer, das Reichsbahnausbesserungswerk und andere Betriebe. 

An die Ankunft der ersten Arbeiterinnen 1942 auf der Hochlarmarker Zeche erinnert sich ein Zeitzeuge: „Die meisten von ihnen waren junge Frauen. Sie bezogen das Barackenlager, das vorher von den Italienern bewohnt war.“ Gekennzeichnet wurden sie mit einem auf der Brust aufgenähten Stoffquadrat und der Aufschrift „OST“. „Diese ukrainischen Arbeitskräfte in Hochlarmark wurden vornehmlich in die Zentralaufbereitungsanlage oder im Übertagebetrieb der Zeche beschäftigt. Für ihre geleistete Arbeit erhielten sie auch Lohnzahlungen. Wie das Zechengelände, so wurde auch das Lager vom Werkschutz bewacht und mit einem Stacheldrahtzaum umgeben.“ 

Rigide Bestimmungen dokumentieren ihr Sklavendasein: Es gab Ausgangsbeschränkungen und öffentliche Verkehrsmittel durften nur mit Genehmigung genutzt werden. Der Besitz von Fahrrädern und der Besuch von Gaststätten war verboten. Auf Geschlechtsverkehr mit Deutschen stand die Todesstrafe. Für schwangere Arbeiterinnen wurde in Waltrop ein Lager eingerichtet, in dem Zwangsabtreibungen durchgeführt wurden. Bei Luftangriffen war der Besuch von Schutzräumen verboten; viele wurden Opfer der Bomben. Auch die miserable Ernährung und die besonders zum Kriegsende immer unhaltbareren hygienischen Verhältnisse förderten Krankheiten wie Fleckfieber, Typhus oder Tuberkulose., woran sehr viele starben. Lediglich die Grabsteine auf den Friedhöfen erinnern an sie. Deshalb soll nun vor dem Hochbunker an der Hertener Straße eine „Stolperschwelle“ errichtet werden. Der Enthüllungs-Veranstaltung mit Schülerinnen und Schülern der benachbarten Maristen-Realschule vormittags folgt am Abend in der Volkshochschule ein Vortrag, der an ihr Schicksal erinnert. Georg Möllers | Jürgen Pohl

Vortrag

Die Würde des Menschen ist antastbar. Zwangsarbeit in Recklinghausen im Zweiten Weltkrieg

Donnerstag, 19. Oktober 2023, 19 Uhr Volkshochschule, Willy-Brandt-Haus, Herzogswall, Erdgeschoss

Veranstaltung der VHS und des Vereins für Orts- und Heimatkunde