Zehn Jahre ist es her, dass ich mich mit Maria Bongers getroffen habe, um für die erste Ausgabe der Kirchenzeitung geistREich über die Situation in den Flüchtlingsunterkünften der Stadt zu schreiben.
Seither ist viel passiert, doch Maria Bongers ist immer noch da und betreut als Mitarbeiterin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) Frauen, Männer und Kinder, die in höchster Not den Weg nach Recklinghausen gefunden haben. Auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung oder Unterdrückung. Monierte Maria Bongers vor zehn Jahren noch die an vielen Stellen fehlende Professionalität in der Flüchtlingsarbeit, sind diese Mängel heute abgestellt. War sie lange als eine Art Einzelkämpferin unterwegs, kümmern sich heute allein beim SkF als Träger der existenziellen Hilfe in der Stadt fünf Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter um die Flüchtlinge. „Die Unterbringungssituation hat sich deutlich verbessert. An jedem Standort gibt es mittlerweile auch ein Kinderbetreuungsangebot, für das qualifizierte Tagesmütter sorgen. Die Stadt hat sehr viel gemacht und ich kann heute sagen, dass es Flüchtlingen in Recklinghausen auch im Vergleich zu anderen Städten gut geht“, betont Maria Bongers.
In ihrem Büro in der Flüchtlingsunterkunft an der Herner Straße erlebe ich eine Frau, für die zwar der Ruhestand in Sicht ist, die aber immer noch eine unglaubliche Energie ausstrahlt. „Die Arbeit ist hart, ich konnte und kann aber viel umsetzen. Das macht meinen Job aus“, sagt die Sozialarbeiterin, die vor ihrem Studium auch eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert hat. Seit 25 Jahren arbeitet sie nun für den SkF und blickt auf diese Zeit zufrieden zurück. „Man lässt uns machen, wenn wir eine Idee haben, können wir diese auch realisieren.“
Und Ideen hat Marie Bongers viele. Zum Beispiel die einer Fahrradwerkstatt. In dem Container-Gebäude der städtischen Unterkunft wurde ein Raum von Ehrenamtlichen komplett als Werkstatt eingerichtet. Gespendete Räder, die die Kommunalen Servicebetriebe Recklinghausen (KSR) vor der Verschrottung retten, werden dort repariert und auf Vordermann gebracht. „Diese Räder geben wir kostenlos an Flüchtlinge weiter, darunter auch viele Kinderräder“, verrät Bongers. Die Begeisterung ist ihr deutlich anzumerken, wenn sie über die vielen Ehrenamtlichen spricht, auf die sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen in der Flüchtlingsarbeit setzen kann.
Egal, ob Nähstube, Kleiderkammer, Tafel, Nachhilfe oder Sprachkurse, an vielen Stellen kann der SkF auf engagierte Bürgerinnen und Bürger bauen, die sich mit ihren Kompetenzen einbringen. „Ich sehe mich als Verbindungsglied, als eine Art Drehtür, die all diese Angebote nutzt, um den Menschen zu helfen, sich bei uns zurechtzufinden“, sagt Maria Bongers. Dazu gehört auch die Medizinische Hilfe in den SkF-Räumlichkeiten am Neumarkt, wo zweimal in der Woche eine Sprechstunde angeboten wird. Oder die Wohnungsgruppe, die unterstützt, wenn Geflüchtete nach dem Aufenthalt in einer Unterkunft endlich ihre eigenen vier Wände gefunden haben. „Egal, ob ein Fernseher gesucht oder ein Rollstuhl benötigt wird, der Kreis schließt sich beim SkF“, erklärt die Sozialarbeiterin mit einem Lächeln. Und auch zu den Mitarbeitenden im Sozialamt oder beim Jobcenter pflegt sie enge Kontakte. „Man kennt sich und vieles geht Hand in Hand. Auch dafür bin ich sehr dankbar.“
Was sie antreibt? Das sind die vielen Erfolgsgeschichten, die sie erzählen kann. Vom jungen Mann aus Syrien, den sie unterstützt hat und der heute im Prosper-Hospital als Arzt eine Festanstellung hat; von der jungen Kinderärztin, die mit ihrer Hilfe alle Anfangsschwierigkeiten überwunden und mittlerweile ebenfalls ihren Platz im deutschen Gesundheitssystem gefunden hat. Besonders gefreut hat sich Maria Bongers über einen jungen Mann, den sie länger aus den Augen verloren und dann aber an der Tankstelle wiedergetroffen hatte. „Er hat eine Ausbildung bei Aldi absolviert und ist dort fest angestellt.“ Die Liste mit Beispielen gelungener Integration kann Maria Bongers endlos fortsetzen.
Doch leider wird über die nicht so berichtet, wie das nötig wäre, um im Land für mehr Akzeptanz zu sorgen. Warum das so ist? Vielleicht bringt der Zeitungsbericht über einen straffällig gewordenen Flüchtling doch mehr Klicks im Netz, als die Reportage über den Mann aus dem Irak, der in seiner Heimat Französisch und Englisch studiert hat, dessen Studienabschlüsse in Deutschland aber nicht anerkannt wurden. In Recklinghausen hat er daraufhin erfolgreich die Ausbildung zum Krankenpfleger absolviert und versorgt im Klinikum Vest mit großer Kompetenz und Empathie Patientinnen und Patienten auf der Station der Neurochirurgie.
„Wir brauchen in unserem Land diese Menschen. Sprachkompetenz und Bildung sind der Schlüssel“, ist Maria Bongers überzeugt. Der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel hat deren Ausspruch „Wir schaffen das!“ vor der Bundespressekonferenz am 31. August 2015 von interessierter politischer Seite Hohn, Spott und jede Menge Kritik eingebracht. Maria Bongers: „Ich erinnere mich noch sehr gut daran. Bekanntermaßen bin ich ja keine Parteigängerin der ehemaligen Kanzlerin. Doch ich fand das damals toll und kann heute sagen, sie hat Recht behalten. Aktuell beobachte ich aber mit großer Sorge, dass die Stimmung im Land kippt und rechte Parteien das Thema immer mehr für sich instrumentalisieren.“
Was nicht heißen soll, dass Maria Bongers die Augen vor Problemen verschließt. Wenn sie einen Wunsch in der Flüchtlingspolitik frei hätte? Wie aus der Pistole geschossen kommt als Antwort: „Wir brauchen verbindliche und sofortige Sprachkurse für jeden Menschen, der zu uns kommt. Dann wissen diese auch sofort, worauf sie sich einlassen. Realität ist leider, dass Menschen ein halbes Jahr und noch länger auf einen Deutschkurs warten. Und dann lese ich, dass der Bund die Mittel für die Flüchtlingshilfe kürzen will.“ Die Bürokratie bremse in Deutschland Vieles aus. „Wenn die Erwerbsquote unter ukrainischen Flüchtlingen in den Niederlanden bei 70 Prozent, bei uns aber lediglich bei 30 Prozent liegt, dann läuft etwas falsch im Land“, sagt die Fachfrau.
Die Kirchenzeitung geistREich, auf deren zweitem Titelblatt sie zu sehen war, hat sie in den vergangenen zehn Jahren stets im Blick gehabt. „Ich lese nicht jeden Artikel, aber ich finde es sehr positiv und wichtig, dass die katholische Kirche in der Stadt ein solches Sprachorgan hat. Vielleicht können Sie ja auch unser Spendenkonto veröffentlichen?“ Machen wir natürlich gerne:
Hermann Böckmann
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