Vor der ersten großen Demonstration in Recklinghausen gegen Rechtsradikalität wurde ich von einem Freund gefragt, ob ich auch teilnehmen würde. Ich musste absagen, denn ich war zeitgleich mit einer Beerdigung auf dem Zentralfriedhof unterwegs. Als ich später vom Erfolg und den vielen Menschen in der City hörte, war ich froh über dieses Zeichen für die Demokratie und das bunte Leben in Deutschland. Und ich war ein bisschen traurig, nicht dabei gewesen zu sein.
Andererseits habe ich auch am Grab über das bunte Leben gesprochen; zunächst über das der Verstorbenen. Sie brachte eine Vertreibungsgeschichte in ihrer Biografie auf den Gottesacker. Sie kam über Bayern aus Schlesien an die Ruhr und war, wie jeder Flüchtling, darauf angewiesen, schnell Heimat und Arbeit zu finden. Sie musste sich zunächst als Fremde in Deutschland zurechtfinden.
Die Liebe kam, Gott sei Dank, auch. Sogar mit Enkelkindern. Vielleicht hätten die mitdemonstriert, wenn wir nicht auf dem Friedhof gewesen wären.
Dort habe ich vom bunten Leben gesprochen, das den Tod besiegt, das das Böse besiegt. Von der Auferstehungshoffnung. Der Vater hat den Sohn nicht im Grab gelassen. Der Sohn hatte keine Ruhe in Frieden im Grab, sondern er ist für uns auferstanden in die Ewigkeit. So wurde Ostern. So sehr liebt Gott seine Schöpfung. Ich wüsste gern, ob das wohl anstrengend war. Das wäre eine sehr menschliche Frage an Gottes Sohn. Ich habe gelernt, dass das Sterben sehr anstrengend sein kann. Aber ich bin überzeugt, dass die Auferstehung zum ewigen Leben für uns Menschen linde, leicht, erlösend ist. Jesus hat den Weg gebahnt. Und dass es eine Gerechtigkeit für alle gibt, die endlich heilt.
Dagegen scheint das Aufstehen zum irdischen Leben für uns Menschen schon eine sehr große Anstrengung zu sein. Was haben wir alles gelesen und erduldet an Meinungsäußerungen und Berichten - sogar in unseren Parlamenten -, bis es in der zweiten Januarhälfte zu den großen Demos kam. Deutschlandweit sind hunderttausende an den Wochenenden auf die Straße gegangen.
Christinnen und Christen sollten sich nicht die Frage stellen, ob es gut gewesen wäre, dabei zu sein. Wir können gute zeitliche Gründe haben, nicht dabei gewesen zu sein. Vielleicht lags an der fehlenden Mobilität oder Gesundheit. Aber für das bunte Leben, für die Menschlichkeit, für Chancengleichheit aller Menschen, gegen die Gefahr, dass sich Faschismus in unserem Land wiederholt - da gilt es doch mitzugehen!
Ich muss mir selbst die Frage stellen, wie viel Anstrengung das von mir fordern darf. Wie kräftig ist der innere Schweinehund? Wie kräftig sind die anderen Stimmen? Eine Stimme spricht Jesus. Er schickt seine Freunde immer wieder auf die Straße: Geht und sagt allen Leuten, auch den Fremden: „Friede sei mit euch“ und „Das Reich Gottes ist euch nahe“.
Bevor wir mit Jesus auferstehen, gilt es in diesen Tagen für das Reich Gottes aufzustehen. Das Ostern werde. Machen wir uns auf den Weg!
Jan Aleff
Jan Aleff
• Geboren 1981 in Dorsten
• Lehrer für Erdkunde und Deutsch im ersten Beruf
• Priester seit 2019
• nach einer ersten Kaplanstelle in Geldern seit September 2023 als Kaplan in Recklinghausen eingesetzt
• weiterhin in der Erwachsenenbildung tätig
• Podcaster, zu finden unter „Glaubensdenker“ auf allen Plattformen.