Wollen wir uns Leistung leisten? Gedanken zur aktuellen Leistungsdiskussion: Angesichts mancher sportlicher Enttäuschungen deutscher Mannschaften ist der Leistungsbegriff zuletzt in den Fokus des medialen Diskurses gerückt. Während die Einen eine Flauschokratie, ein Abrücken von jeglichem Leistungsgedanken zugunsten einer leistungsfeindlichen Gleichmacherei monieren, beklagen die Anderen einen immer größeren Leistungsdruck. Doch was bedeutet, abseits dieser polemisch aufgeladenen Diskussion, der Begriff „Leistung“, der in diesen Tagen so kontrovers-spaltend daherkommt?
Etymologisch geht er althochdeutsch auf „leisten“ zurück und bedeutet „einer Spur folgen“, „einer Pflicht nachkommen“. Bei der Leistungserbringung ist demnach sowohl das Ergebnis wichtig, als auch der Prozess, in dem der Einzelne einer Spur folgt und einer Pflicht nachkommt. So kann jeder unabhängig vom Ergebnis ganz individuelle Höchstleistungen erbringen, wenn er nach eigenem Können und Vermögen seiner Bestimmung folgt. Leistung ist in diesem Sinne ein inklusiver Begriff, der neben dem Ergebnis den Prozess in Blick nimmt, in dem der Einzelne seine individuellen Potentiale entfaltet. Doch was ist die zu erfüllenden Pflicht, die der Leistung etymologisch zugrunde liegt?
Aristoteles definiert den Menschen als animal rationale et sociale. Als animal ist der Mensch ein Lebewesen, das sich körperlich betätigt. Er ist als animal rationale ein vernuftbegabtes Wesen, das sich intellektuell, kulturell und musisch entfaltet. Er ist letztlich als animal sociale ein soziales Wesen, das seiner Wesensbestimmung nachkommt, in dem es sozial (inter-) agiert, indem es anstelle des egoistischen Ich das altruistische Wir fokussiert. Ein auf Basis dieser Definition des Menschen verstandener Leistungsbegriff fokussiert körperliche, intellektuelle, kulturelle sowie musische Errungenschaften und definiert den Einzelnen als Teil der Gemeinschaft. Leistungserbringung beinhaltet dann nicht im Negativen den Wettstreit gegeneinander, nicht das Übertrumpfen des Anderen um seiner selbst willen. Sie beinhaltet vielmehr im positiven Sinne den Wettstreit miteinander, ein Messen mit dem Anderen um der optimalen Entfaltung der individuellen Potentiale jedes Einzelnen in der Gemeinschaft willen, bei dem das Ergebnis ebenso wie der Prozess der Leistungserbringung anerkannt und gesellschaftlich honoriert wird. Leistung in diesem Sinne fernab aber aller polemischen Verblendung müssen wir uns als Gesellschaft leisten. Michael Rembiak
Michael Rembiak
• geboren 1981 in Düren bei Köln
• seit 2009 Lehrer am Gymnasium Petrinum für Latein, Informatik und Mathematik
• seit 2017 Schulleiter des Petrinum
• leidgeprüfter Anhänger der Geißböcke des 1. FC Köln und der Handballer des VfL Gummersbach