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„Der kleine Hobbit“ - ein Recklinghäuser

Späterer Welterfolg erschien zunächst im Bitter-Verlag

Umschlagseite: Der kleine Hobbit, Georg-Bitter-Verlag Recklinghausen, 9. neubearbeitete Auflage 1971
Umschlagseite: Der kleine Hobbit, Georg-Bitter-Verlag Recklinghausen, 9. neubearbeitete Auflage 1971

Wer kennt sie nicht - und wenn auch erst aus den Verfilmungen im 21. Jahrhundert: J.R.R. Tolkiens „Der Hobbit“ und die Trilogie „Herr der Ringe“. Dabei wird meist übersehen, wo das Auenland des Bilbo Beutlin tatsächlich liegt: „Der kleine Hobbit“ ist gebürtiger Recklinghäuser!

John Ronald Reuel Tolkien (*1892) war ein erfolgreicher britischer Sprachwissenschaftler, Schriftsteller und Professor an der Universität Oxford. Über seine Mutter erhielt er den Zugang zu Fremdsprachen und die Welt der Sagen. Tolkien lernte und erforschte zahlreiche Sprachen und beschäftigte sich auch zeitlebens als Schöpfer einer eigenen mythologischen Welt und ihrer, von ihm selbst entworfenen Sprachen.

Zu den bekanntesten seiner zahlreichen Veröffentlichungen gehörte das Kinderbuch „The Hobbit“, an dem er sieben Jahre arbeitete, ehe es 1937 im Verlag George Allen & Unwin veröffentlicht wurde. Das Nachfolgewerk The Lord of the Rings“ entstand unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs - den Ersten Weltkrieg hatte der Soldat Tolkien selbst als Einbruch des Schreckens, der Gewalt und des Bösen erlebt und gedeutet. 1954/55 wurde dieses voluminöse Werke der Geschichte von Mittelerde in Großbritannien verlegt. Das Angebot eines US-Verlages, das Werk als Taschenbuch zu verlegen, lehnte er 1964 ab.

Die Verhandlungen der Firma Allen & Unwin mit dem deutschen Verlag Rütten & Loening/Potsdam 1938 scheiterten unter anderem an den politischen Forderungen wie dem Ariernachweis, die der überzeugte Katholik Tolkien ablehnte. Fast zehn Jahre später erhielt ein Recklinghäuser (!) Verlag den Zuschlag. Die Paulus Verlag K.Bitter KG war als kleiner „Verlag für katholisches Schrifttum“ 1938 gegründet worden, nachdem das Druck- und Verlagshaus des mehrfach inhaftierten katholischen Verlegers (und späteren Nachkriegs-Oberbürgermeisters) Wilhelm Bitter (1886 bis 1964) bereits zerschlagen worden war.

Der kleine Hobbit

Nun erschien der Text erstmals 1957 unter dem Titel „Der kleine Hobbit und der große Zauberer“, ab der zweiten Auflage unter „Der kleine Hobbit“. 1968 löste Wilhelms Sohn Dr. Georg Bitter (1921 bis 2012) die Abteilung Buchhandel aus der KG heraus und gründete einen eigenen Verlag. Ab der dritten Auflage 1971 erschien „Der kleine Hobbit“ im Georg Bitter Verlag Recklinghausen, Herner Straße 62. Der Verlag mit Autoren wie Max von der Grün und Josef Reding entwickelte sich später zu einem der angesehensten Jugendbuchverlage der Bundesrepublik und wurde in den 1970er Jahren mit zahlreichen Jugendbuchpreisen ausgezeichnet.

Die Übersetzung hatte 1957 der Schriftsteller, Komponist, Kinder- und Jugendbuchautor Walter Scherf (1920 bis 2010) übernommen, der dem Recklinghäuser Verlag verbunden war. Illustriert wurde das Buch durch den Grafiker Klaus Ensikat (*1937). 1974 erhielt der Dt. Taschenbuch-Verlag (dtv) die Erlaubnis zur Herausgabe einer Taschenbuchausgabe; drei Jahre zuvor war dtv junior durch zehn lizenzgebende Verlage, darunter die Georg Bitter KG, gegründet worden. Ende der 80er Jahre wurden die Rechte wohl von Verleger Dr. Georg Bitter verkauft.

Den großen Boom der Bücher im Anschluss an die Filmtrilogie „Herr der Ringe“ 2001 bis 2003 mit ihrem Milliardenerfolg und zahlreichen Oscar-Preisen sowie die Blockbuster „Der Hobbit“ (2012 bis 2014) haben weder J.R.R. Tolkien noch der Recklinghäuser Erstverleger Dr. Georg Bitter erleben können. Tolkien war bereits am 2. September 1973 verstorben. Das Gemeinschaftsgrab mit seiner Ehefrau Edith befindet sich auf dem katholischen Teil des Friedhofs in Oxford auf dem Jordan Hill. Ob er die Ausdehnung seines „kleinen“ Hobbit auf einen dreiteiligen Blockbuster und die Publikation der nunmehrigen Übersetzung von Wolfgang Krege bei Klett-Cotta mit dem Untertitel „Das Original zum Film“ begrüßt hätte, darf vermutlich bezweifelt werden.

Schauen wir noch einmal auf die Charakterzüge von Bilbo Beutlin: Geradazu westfälische Heimatverbundenheit gepaart mit unternehmungslustiger Weltoffenheit, Bescheidenheit und in zentralen Momenten Entscheidungsfreude, Zurückhaltung und überzeugungsstarke Ehrlichkeit, zugleich vorsichtig und entschlossen und mutig, wenn es darauf ankommt: ein wahrer Freund - eben ein echter Recklinghäuser... Georg Möllers